Der Kommentar

Im Globalen Dorf darf "Chinesisch" nicht länger das Synonym für Unverständnis sein

Von Ralph L o r e n z

Sinologie war über lange Zeit als Orchideenfach belächelt worden.  Das hat sich bereits Ende des zurückliegenden Jahrhunderts nachhaltig gerächt. Das Rennen um die besseren kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen in Asien und hier vor allem um die Volksrepublik China haben seit Jahren die angelsächsisch geprägten Länder gemacht und gewonnen.

Allen voran die USA (noch zur Nixon-Ära) und England. Die Exportnation Deutschland hat ausgerechnet das bevölkerungsreichste Land der Welt kulturell außen vor und damit den anderen überlassen. Daran ändert auch nichts das Engagement des VW-Konzerns in Ostasien und die Bemühungen deutscher Unternehmen, mit China in das große Geschäft zu kommen. Dabei waren es einst Jesuiten aus Deutschland, die frühzeitig Zugang zum chinesischen Kaiserhof gefunden hatten und mit ihrer (freilich) missionarisch geprägten Beratertätigkeit sich als aufgeschlossene Europäer Vertrauen und Zuneigung erwerben konnten. Anzunehmen, dass heute in den deutschen Bildungsinstitutionen diese Defizite erkannt und aufgearbeitet werden, ist jedoch eine Fehlanzeige.

 

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Wenn das Ernestinum in Rinteln eines von nur zwei Gymnasien der Bundesrepublik Deutschland ist, die in Zusammenarbeit mit der Kulturorganisation „Hanban“ als chinesischem Pendant zum deutschen Goethe-Institut ein sogenanntes „Konfuzius-Klassenzimmer“ eingerichtet haben, so kann man einerseits für Rinteln im Weserbergland stolz darauf sein - andererseits den  erschreckenden Rückstand des Exportlandes Deutschland beklagen.

Chinesische Sprache als durchgängig anerkanntes Prüfungsfach mit unbestrittenem Zukunftspotential an deutschen Gymnasien? Fehlanzeige! „Wir sprechen Ihre Sprache“ – gerne wird dieser Anspruch im Marketingsprech der verschiedenen Branchen großmäulig erhoben und als selbstverständlich angesehen. Gut 1,4 Milliarden Chinesen sind jedoch dabei aber untern Tisch gefallen und nicht als relevante Größenordnung angesehen worden. Deren Sprache spricht eben niemand.

Leider kommt uns heute noch viel zuviel "Chinesisch vor"

Das muss sich ändern. Chinesische Austauschschüler haben am gemeinsamen Chemieunterricht mit Ernestinum-Gymnasiasten in Rinteln teilgenommen. Das hat zwar den rührigen Niedersächsischen Umweltminister Birkner auf den Plan gerufen, nicht aber die Ministerialbeamten aus dem Niedersächsischen Kultusministerium.  Als wäre das nicht zuvörderst deren Baustelle! Dass Chinesisch (Mandarin) in den Fächerkanon zu integrieren ist und ein entsprechendes Angebot zur Ausbildung von Chinesisch-Lehrern mit Nachdruck zu erfolgen hat, sollte auch in Niedersachsen – dem Stammsitz des erfolgreichen China-Wirtschaftspartners Volkswagen - erkannt werden. Der frühere Ministerpräsident Christian Wulff, der selbst China bereiste, hat dies seinerzeit seinem Kultusministerium auch schon ins Lastenheft geschrieben,  aber die überwiegend konservativ eingestimmten Ministerialbeamten nicht wirklich beeindrucken können.

Noch immer findet der Chinesisch-Unterricht, so er denn angeboten wird, als „Arbeitsgemeinschaft“ statt. Gewissermaßen auf Hobby-Ebene. Entsprechend schlecht bezahlt sind die Fachkräfte. Das muss sich schleunigst in unserem eigenen kulturellen und wirtschaftlichen Interesse ändern. Unabhängig davon ist das Engagement von Ralf und Liping Kirstan – einem deutsch-chinesischen Lehrerehepaar in Rinteln, das fast im Alleingang einen Schüleraustausch angeschoben hat und jetzt in der Region viele Mitstreiter begeistern konnte, ein Glücksfall für das Weserbergland und für Niedersachsen.

Deutsch-chinesischer Live-Online-Unterricht

Die beiden Lehrer haben sich schon damit als Anwärter auf das Bundesverdienstkreuz erwiesen. Allein mit der Idee, einen deutsch-chinesischen Live-Online-Unterricht zu installieren und ein internationales deutsch-chinesisches Betriebspraktikumsprojekt zu organisieren, weisen sie sich als pragmatische und kreative Mittler zwischen zwei 7200 Kilometer entfernten Kulturnationen im Globalen Dorf aus.

Das Wort, dass uns etwas "Chinesisch vorkommt" - als Synonym für Nichtverstehen und Unverständnis - muss in unserem Gedankengut ausgedient haben. Unser Bildungshorizont darf nicht länger von den geistigen und ideologischen Stellwänden der Kultusbürokratie aus dem vergangenen Jahrhundert beschränkt werden.

Und tut unserem europäischen Denken gerade in diesen Zeiten nicht auch ein Schuss Konfuzius gut?

Hinweis der Redaktion: Beachten Sie bitte den vorangegangenen Bericht mit Video-Nachrichtenfilm zum deutsch-chinesischen Gemeinschaftsunterricht am Ernestinum in Rinteln

 
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