Plötzliche Lücken im "phänomenalen Gedächtnis" - vor allem in eigener Sache

Situation spitzt sich zu: Verteidigung überführt Belastungszeugin im Arztprozeß der Unwahrheit

Beobachtungen vor der Wirtschaftsstrafkammer in Hildesheim von Ralph L o r e n z

Hildesheim (wbn). Es ist der 29. Verhandlungstag im Prozess gegen den Salzhemmendorfer Arzt Jürgen Janzen. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Der Richter nimmt sich viel, sehr viel Zeit und behält sich Bewertungen von Sachverhalten im Prozessgeschehen ausdrücklich zu einem späteren Zeitpunkt vor. Es geht weiterhin um den Verdacht eines möglichen Abrechnungsbetruges seitens des Arztes in drei Fällen.

Im Verhandlungssaal der Wirtschaftsstrafkammer des Hildesheimer Landgerichts steht diesmal der Computer mit den Daten aus der Arztpraxis. Und wie dereinst sitzt die Hauptbelastungszeugin Gramse an dem vertrauten  Arbeitsgerät, an das – so die übereinstimmende Aussage der Kolleginnen – die einstige Mitarbeiterin der Arztpraxis Janzen, Angelika Gramse, keine andere Arbeitskraft gelassen habe. Gramse hat mit diesen wohlvertrauten Abrechnungs-Programmen jahrelang Tag aus Tag ein gearbeitet und hat eingestandenermaßen Daten manipuliert – aber angeblich nur auf Anweisung ihres „Arbeit-Gebers“, wie sie stets zu sagen pflegt. Auf dem PC, der auf ausdrückliche Bitten der Verteidigung in  den Gerichtssaal gestellt worden ist, sind das alte und das neue Abrechnungsprogramm aufgespielt.

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Beides virtuos zu beherrschen, ist der ganze Ehrgeiz dieser einst scheinbar unentbehrlichen Praxishelferin gewesen, die nunmehr zur wichtigsten Zeugin des Staatsanwaltes geworden ist. Doch an diesem Verhandlungstag ergibt sich ein seltsam anmutendes Schauspiel an diesem von der Kripo beschlagnahmten Praxis-Computer.

Obwohl die Verteidigung sehnsüchtig erwartet hatte, diesen PC zu Demonstrationszwecken ins Gespräch zu bringen, scheint das den Richter, der sehr genau darum weiß, überhaupt nicht zu interessieren. Dabei besteht seitens des Gerichtes sogar eine Art Nachholschuld.

Noch immer lässt der Richter die Verteidigung nicht an den Praxis-Computer

Überaus schusselige Mitarbeiter des Hildesheimer Landgerichts hatten durch offensichtlich unsachgemäße Behandlung den Praxis-PC  vorübergehend unbrauchbar gemacht und der Verteidigung damit die, wie auch immer vorgesehene, Beweisführung anhand des Computers vermasselt. Darum auch war darauf gedrungen worden, das Ding zum nächstmöglichen Termin flott zu machen.

Für das, was nun am 29. Verhandlungstag im Gerichtssaal zu Hildesheim geschah, hat der Volksmund allerhand bildhafte Umschreibungen. Etwa: „Am ausgestreckten Arm verhungern lassen“. „In Beschlag nehmen“. „Blockieren“. „Boykottieren“. „Sabotieren“. „Auf die Folter spannen“. Jedenfalls: Dem Richter schien es nach stundenlangem Gebrauch des Computers für „seinen“ Fragenkatalog nicht in den Sinn zu kommen, sich an jene Prozesspartei erinnern zu wollen, die eigentlich den Aufbau des Arbeitsgerätes so dringlich beantragt hatte. Das musste auch dem unbefangenen Prozessbeobachter auffallen.

Wenn der Richter der Belastungszeugin die Maus führt...

Diese Merkwürdigkeit, die nicht dem Fortgang des Prozesses und schon gar nicht der Chancengleichheit für die Verteidigung dienlich ist, gehört zu den unergründlichen Geheimnissen des Richters Jürgen Braumann. Bizarr war indessen das Bild, das sich stattdessen bot. Behände und eilenden Schrittes löste er sich immer wieder von der Richterbank, um der  Hauptbelastungszeugin Gramse die Maus zu führen. Er beugte sich fürsorglich über sie. Klickte mal da, mal dort. Zeigte ihr dies. Und jenes. 

Und Angelika Gramse lächelt, lächelt immer dankbarer. Mal zum Richter. Mal zum erwachsenen Sohn und den beiden alten Damen aus Salzhemmendorf, die sich so gut wie keinen Prozesstag entgehen lassen, emsig Notizen machen und schon irgendwie zum Gerichtsinventar gehören. Es ist das: Hab-ich-das-nicht-gut-gemacht? – Lächeln der Hauptbelastungszeugin.

Wie oft der Richter wie ein Schiffchen auf dem Webstuhl eilfertig zur Zeugin Gramse hin- und herflitzt, ist an diesem Tag nicht mehr zu zählen. Das Wundersame ist allerdings: Was will einer, der sich nur in relativ wenig Stunden in das Programm hineindenken konnte und es möglicherweise immer noch nicht ganz versteht, wie der Richter Braumann, einer Person wie Gramse zeigen, die darauf geschult wurde, nach eigenem Bekenntnis sogar Kurse belegt und jahrelang daran gearbeitet hatte? Auch diese Beobachtung gehört zu dem an  Kuriosa reichen Prozessverlauf unter Leitung des Richters Jürgen Braumann.

Braumann las aus seinen Unterlagen Namen vor und Gramse klickte sie an. In den meisten Fällen waren es Namen von Patienten, die vor Gericht bereits gehört worden waren und in vielen Fällen die belastenden Angaben der Hauptbelastungszeugin nicht bestätigen konnten. Oder sich zumindest nicht erinnerten. Die Sinnhaftigkeit dieses Abfrage-Spieles war begrenzt. Doch der Richter schien viel Geduld und noch mehr Zeit und eine nicht enden wollende Liste von Namen zu haben.

War es Zufall, dass die Kaffeepause diesmal ausgefallen ist?

So trug es sich zu, dass eintrat, was die Verteidigung wenig zu überraschen schien. Das Zeitbudget war gegen Mittag erschöpft. Der Angeklagte, der sich mit einer schweren, lebensbedrohlichen Atemwegerkrankung unter starken Medikamenten in den Gerichtssaal geschleppt hatte,war ebenfalls am Ende. Körperlich. Im krassen Gegensatz zur fürsorglichen Freundlichkeitsoffensive für die Hauptbelastungszeugin hatte der Vorsitzende Richter für den sichtbar gesundheitlich angeschlagenen Angeklagten erlesene Ruppigkeiten auf Lager. Dergestalt, dass er, Janzen, ja nicht so krank sein könne, wenn er – und jetzt zählte der Richter die Tage auf, die er offenbar hatte kontrollieren lassen – Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag in der Praxis gewesen sei. Der Richter nahm ihm offenbar übel und nicht ab, dass der Arzt und Angeklagte zwischendurch selbst zum Patienten und – auch ein Arzt ist nur ein Mensch - nicht verhandlungsfähig geworden war. Andererseits aber als Selbständiger zum Notdienst in eigener Sache gezwungen worden war. Hatte Richter Braumann, der vormittags sonst gern mal eine Kaffeepause einlegt, im Angesicht des gezeichneten, schwer hustenden Angeklagten an diesem Tag gerade deshalb pausenlos durchverhandelt um ihn zu schickanieren? Honi soi qui mal y  pense. Ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Vom Thron des phänomenalen Gedächtnisses gestoßen

Dennoch lief dieser Tag nicht so schlecht für die Verteidigung und den Angeklagten. Dieser Tag hatte gleich zu Beginn der Verhandlung den Beweis erbracht, dass die Hauptbelastungszeugin erneut vom Thron ihres phänomenalen Gedächtnisses gestoßen wurde. Wie hatte sie doch in der vorangegangenen Sitzung geklagt? Alle Praxismitarbeiterinnen – und die Betonung lag zunächst auf „alle“ – hätten in jedem Quartal ihre Krankenkassen-Karte bei Janzen einlesen lassen müssen. Ob sie behandelt worden seien oder nicht.

Sie hätten es alle angeblich – so Gramse – dann auch jeweils „aus Angst getan“.  Später nahm sie diese, sich auf mehrere Quartale erstreckende ungeheuerliche Betrugsbehauptung in der Verhandlung des 28. Prozesstages zum Teil zurück, als der Verteidiger Dr. Dieckmann sehr eindringlich den Sachverhalt bezweifelte.

Jetzt, am 29. Tag,  wurde eine Kollegin auf Antrag der Verteidigung gehört, die den Gramse-Vorwurf vollends zum Einsturz brachte. Weder hatte sie in der von Gramse dargestellten Weise Angst vor dem einstigen Chef gehabt, noch hatte sie ihre Karte unter Zwang unnötig einlesen lassen ohne behandelt worden zu sein. Und ganz nebenbei wurde mit einer weiteren Ungeheuerlichkeit aufgeräumt: Sie habe nicht auf dem „Schoß des Chefs“ gesessen um zu lernen, wie einem Patienten fachgerecht eine Spritze verabreicht werde. Diesen offensichtlichen Auswuchs einer üppigen Phantasie hatte die Hauptbelastungszeugnin Gramse nämlich in der zurückliegenden Verhandlung zum Besten gegeben.

Was die Verteidigung immer wieder vermutet hatte, dass nämlich die Zeugin Gramse ungefragt versucht, vor Gericht aus Rachegelüsten Stimmung gegen den ehemaligen Chef zu machen, war nun mit Händen zu greifen. Doch Richter und Staatsanwalt gingen ausgesprochen geschmeidig über diese frappierenden Einblicke in die Erinnerungskultur der Hauptbelastungszeugin hinweg. Folglich versuchte die Verteidigung zwecks Spurensicherung die vor Gericht gewonnenen Erkenntnisse aus dem Munde der Belastungszeugin zu repetieren.

Auf dem Schoß des Arztes 'ne Spritze verabreicht? Auch das wurde widerlegt

Zum einen: Die Hauptbelastungszeugin hat versucht, den Angeklagten mit einer massiven Anschuldigung des fortwährenden Abrechnungsbetruges zu belasten. Zum zweiten: Sie hat versucht, seine Berufsehre in den Schmutz zu ziehen, indem sie die Geschichte mit der Mitarbeiterin auf dem Schoß des Arztes vor Gericht kolportierte. Augenscheinlich reichte das Erinnerungsvermögen der Belastungszeugin Gramse nicht einmal bis zur eindringlichen Zeugenbelehrung des Richters zurück, der vor jeder Verhandlung nicht müde wird, zu betonen, dass auch nicht einfach vom Hören-sagen so dahingeplappert werden dürfe. Das stehe nämlich ebenfalls unter Strafe.  

Doch wie ist es um eine „Haupt-Belastungszeugin“ bestellt, die vorgibt im Detail über Abrechnungsvorgänge Hunderter anderer Patienten gerichtsfest bis auf Tag und Tageszeit Bescheid zu wissen, in eigener Angelegenheit jedoch unter eklatantem Gedächtnisschwund zu leiden scheint? Gerade ihr konnte die Verteidigung nachweisen, dass auch sie, die Zeugin Gramse, nicht die eigene Chipkarte ohne Behandlung im entsprechenden Quartal eingelesen hat. Definitiv hatte Gramse aber behauptet, zumindest in ihrem Fall ganz genau zu wissen, dass sie ihre Krankenversicherungskarte ohne ärztliche Leistung einlesen musste, weil es der Arzt so von ihr gewollt hätte. Der Gegengbeweis zur Gramse-Behauptung war einfach: Sie wurde durch die Computer-Daten widerlegt, was zwangsläufig auch dem Richter nicht entgehen konnte. Der brachte das notgedrungen von sich aus zur Sprache, bevor es die Vertedigung aussprach, ging aber sogleich zur Tagesordnung über. Auch hier drängte sich also der Verdacht auf, dass Braumann die Verteidigung nicht zum Zuge kommen lassen wollte. Der Richter sah wohl, dass dies seine Zeugin weiterhin beschädigt hätte.

Der Angeklagte nannte Gramse eine Lügnerin, sie gab den Vorwurf reflexhaft zurück

Nicht nur für den Prozessbeobachter stellt sich umgehend die Frage: Was ist diese Zeugin ab diesem Moment für Richter und Staatsanwalt eigentlich noch wert? Eine Zeugin, die detailreich sich an Abrechnungs-Unregelmäßigkeiten zu erinnern glaubt, die andere Personen betreffen, aber dann offenbar fundamental irrt, wenn es um Abrechnungsvorkommnisse in Bezug auf die eigene Person geht? Der Angeklagte nannte sie daraufhin offen eine Lügnerin. Sie gab den Vorwurf reflexhaft zurück.

Es ist naheliegend: Verteidiger Dieckmann wollte die schwerwiegende Bedeutung dieser Zeugenaussagen, die ganz erheblich die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin Gramse in Frage stellen, nochmals benennen und fürs Protokoll festhalten. Er kam aber nicht soweit.

Der Richter fiel ihm ins Wort. Dazu habe die Verteidigung zu einem späteren Zeitpunkt noch Gelegenheit. Die Botschaft: Was Richter Braumann zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht hören will, will er partout nicht hören. Dies war nicht die erste Szene dieser Art in Braumanns holprigem Prozess der Wahrheitsfindung.

Der Richter hat nur noch die Hauptbelastungszeugin

Er braucht sie mehr denn je, seine Hauptbelastungszeugin Gramse. Denn er hat vor Weihnachten durchblicken lassen, dass er den beklagten Arzt Jürgen Janzen, dem bis zum heutigen 29. Prozesstag keine Betrugshandlung zugeordnet und nachgewiesen werden konnte, eher verurteilen als freisprechen werde.

Das war damals schon kühn und ist an diesem 29. Verhandlungstag noch gewagter. Warum -  und warum mit dieser Entschiedenheit - der Richter aus dem offensichtlichen Vor-Urteil von vor Weihnachten ein Urteil mit Aussicht auf Bestand machen will, weiß möglicherweise nicht mal mehr der einst aufgrund der Aktenlage sehr selbstsichere Staatsanwalt. Zum Verurteilen braucht der Richter aber dringlicher denn je die Hauptbelastungszeugin. Er hat sonst keine andere.

Da führt er ihr gern hilfreich die Maus. Auch Vor-Urteile muss man pflegen.

 
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