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Der Kommentar

Das unsägliche Bild vom Behördenversagen - die Äußerung einer Generalstaatsanwältin macht alles nur noch schlimmer

Von Ralph Lorenz

Die heute aufgrund eines Berichtes des Kölner Stadt-Anzeigers bekannt gewordene entlastende Äußerung der Generalstaatsanwältin in Hamm zu einem möglichen Behörden-Versagen im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorfällen in Lügde hat zu Irritationen geführt. Und das ist noch zurückhaltend formuliert.

Wie die Generalstaatsanwältin aus Hamm zu der Bewertung kommt, dass „der berichtete Sachstand nicht die Aufnahme des Anfangsverdachtes strafrechtlich relevanten Verhaltens gegen Beamte der Kreispolizeibehörde Lippe und Mitarbeiter der Jugendämter der Kreise Hameln und Bad Pyrmont" rechtfertige, bleibt angesichts des noch nebulösen Gesamtbildes ihr Geheimnis. Wohlgemerkt: Ein Anfangsverdacht!

 

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Fakt ist doch: Noch immer sind die Vorgänge nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Detmold, die unmittelbar mit den Fällen befasst ist, nicht ausermittelt.

Im Gegenteil. Die Zahl der Opfer des Kindesmissbrauchs durch die drei Tatverdächtigen in Ostwestfalen-Lippe und im niedersächsischen Stade steigt nahezu wöchentlich, weil immer wieder neue Hinweise eingehen.

Und mit 31 Opfern ist ein erschütterndes Ausmaß erkennbar, das in dieser Dimension in den vergangenen Jahrzehnten in Nordrhein-Westfalen nicht erinnerlich ist.

Weil das Ausmaß der Opfer im kindlichen Alter von vier bis vierzehn Jahren noch immer nicht überschaubar ist, hat auch der Haftrichter in dieser Woche einen Haftprüfungstermin für den Tatverdächtigen aus Stade abschlägig beschieden. Nicht ausermittelt, lautet das Argument.

Polizei und Staatsanwaltschaft untersuchen weiterhin mit Nachdruck in mehr als 1000 Einzelfällen und in immer größerer Personalstärke in verschiedene Richtungen.

Zu ihren Aufgaben gehört es ausdrücklich auch Belastendes und gleichzeitig Entlastendes zusammen zu tragen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Reul spricht – anders als die Generalstaatsanwältin – schon jetzt von einem Behördenversagen. Weiß er mehr? Weiß sie weniger? Und die erkennbare Tendenz gibt ihm, dem Minister leider Recht.

Die Vielzahl der bei Ämtern und Dienststellen offenbar ins Leere gelaufenen, krass fehlinterpretierten oder einfach nur verschlampten Hinweise von glaubwürdigen Zeugen und Institutionen ist nicht geeignet das Vertrauen in die beteiligten Behörden zu festigen.

Eine Serie von Pannen und Fehlleistungen

Es ist inzwischen eine ganze Serie von Pannen und Fehlleistungen. In diesem Zusammenhang von einem Skandal zu sprechen, ist nicht übertrieben. Deshalb wäre es besser gewesen die Generalstaatsanwältin hätte sich vorerst in Distanz und Zurückhaltung geübt. Auch und gerade bei einer internen Einschätzung der Lage gegenüber übergeordneten Instanzen.

So hat sie aber ungewollt den Eindruck von einem weiteren Behördenversagen an oberster Stelle genährt. Ihr eigenes Behördenversagen: Die Oberaufseherin selbst scheint einer verfrühten, in ihrer Wirkung fatalen Ferndiagnose erlegen zu sein. Ihre vollmundige Einschätzung erfolgte offenbar Anfang Februar. Erst danach wurden neue, gravierende Vorwürfe gegen die Ämter bekannt. Und wenn nunmehr im Nachhinein eingeräumt werden muss, dass in Hamm um einen ergänzenden Bericht der Staatsanwaltschaft Detmold ersucht wurde und der noch gar nicht vorliegt, so gleicht dies einem peinlichen Eingeständnis einer voreiligen Bewertung.

Es ist schon zuviel Vertrauen in die Arbeit der Behörden verspielt worden. Der Vorwurf des Behördenversagens zieht sich wie ein roter Faden durch den ganzen, an Unappetitlichkeit nicht mehr zu überbietenden Missbrauchs-Skandal am Rande der lippischen Kleinstadt in dem kein seriöses Bild abgebenden Wohnprovisorium auf einem Campingplatz.

Und auch das gilt es zu bedenken: Die honorige Stadt Lügde hat anderes verdient als in dem klebrigen Zusammenhang mit diesen unsäglichen Vorgängen täglich bundesweit in den Schlagzeilen zu erscheinen.

Hier wird der geschichtsträchtige Namen Lügde durch das Geflecht von offenbar kranken Tatverdächtigen und Pädophilen-Zirkeln auf einem abgelegenen Campingplatz in einem Vorort der Stadt in den Schmutz gezogen.

Eine ganze Stadt ist dem über Nacht zum Opfer gefallen, deren Einwohner nichts, aber auch gar nichts mit diesen Gestalten aus der sonst bürgerlichen eingeschworenen Campingszene zu tun haben. Und die Bürger sind fassungslos, können sich nicht wehren. Die stolze Feuerräderstadt Lügde mit der lippischen Rose im Wappen - von der österlichen Touristenattraktion zum Synonym für Missbrauch verkommen.

Diesen Schaden kann keine Behörde wiedergutmachen!

 

 

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