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Der Kommentar

Das Neusprech in Berlin und Hannover. George Orwell lässt grüßen!

Von Ralph Lorenz

Liebe Politiker in Berlin und in den Bundesländern. Merkt ihr eigentlich noch wie abgehoben und abgerückt euer Politik-Sprech geworden ist? Entfernt von der Alltagssprache?  Und unverhohlen anmaßend?

Eine Nachricht vom heutigen Tag aus der Pressestelle der Landesregierung in Hannover lautet zum Beispiel: „…Die Niedersächsische Landesregierung hat dem Vertrag zwischen dem Land und dem Bund über das „KiTa-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetz – KiQuTG“ („Gute-Kita-Gesetz“) zugestimmt…“ - Wie bitte? KiQuTG?

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Und die ausgesprochene Bezeichnung „Gute-Kita-Gesetz“ macht die Sache auch nicht besser. Die Bezeichnung stammt übrigens aus dem Bundesfamilienministerium von Frau Franziska Giffey. Das ist die Familienministerin der SPD, deren Doktortitel geprüft wird weil Zweifel aufgekommen sind, ob sie den „Dr.“ überhaupt ihrem Namen voranstellen darf. Im Moment hat sie ihn aber noch.

Würde ich mir eine Welt im George Orwell-Stil ausdenken, dann käme ich zwangsläufig auf ein Wahrheitsministerium, in dem sich jeden Tag eine Gute-Gedanken-Polizei solche Gesetzestitel ausdenkt und die Realität nebst bestehenden Werten umdeutet.

Ein „Gute-Kita-Gesetz“ braucht kein Parlament mehr, schon gar keine parlamentarische Kontrolle. Klar doch. Denn es ist schon vom Teflon-Namen her gut.

Jede Form der noch so berechtigten Kritik würde aus einem „Gute-Kita-Gesetz“ ein „Schlechte-Kita-Gesetz“ machen. Denn Gesetze, die schon mit dem Wörtchen „Gute…Gesetz“ vorgelegt werden, sind - so die Botschaft - ausschließlich von guten Menschen gemacht, machen sich erhaben, machen sich unangreifbar.

Das “Gute-Verteidigung-Gesetz“ von der am teuersten beratenen Verteidigungsministerin wäre auch so eines. Einfach unangreifbar! Oder das „Gute-Steuer-Gesetz“. Was kann daran schlecht sein?

Und wie war das eigentlich mit dem „Solidaritätszuschlaggesetz“, das jeden Kritiker von vornherein als unsolidarisch aussehen ließ? Das haben wir noch heute an der Backe! Auch dank Merkel. Und deren berüchtigtes "alternativlos" ist auch so ein an Arroganz kaum zu überbietendes  Verdummungs-Wort.

Das von George Orwell beschriebene "Wahrheitsministerium" hatte es bei den Nazis und in der Deutsch’n Demokratsch’n Republik in abgewandelter Form schon gegeben. Die staatlich verordnete Sprachregelung, die das Gehirn des gemeinen Volkes weich waschen sollte.

Gerade die sogenannte „DDR“ ist dabei zur Hochform aufgelaufen. Da gab es die „Friedensfahrer“, den „antifaschistischen Schutzwall“ als Gegenbegriff zu Willy Brandts „Schandmauer“. Verordnete "Völkerverständigung". Den "Aufbausonntag", der damit nicht als Zwangsarbeitssonntag gebrandmarkt werden konnte. Und Vergemeinschaftung statt Enteignung ist auch so ein schönes Wort, das vor kurzem wieder aufpoppte.

Ich habe die Nase voll von Bezeichnungen, die so unverschämt manipulativ daherkommen, auch wenn zuweilen gut gemeint. Ob ein Gesetz „gut“ ist, das kann allein die Praxis belegen. Es ist ein Ruf, der erst erkämpft werden muss und nicht schon staatlich verordnet in die Wiege gelegt werden darf. Alles andere ist Volksverdummung. Warum schlagen hier nicht die sonst so hypersensiblen Verfechter der "politischen Korrektheit" Alarm? Weil sie selbst dem Wahrheitsministerium entstammen?

Und jetzt mal im Ernst und ich zeige dabei dem politischen Berlin den Piepmatz: Meint ihr wirklich in Berlin, eine wie auch immer zustande gekommene Mehrheit kann per Gesetzesbeschluss etwas für „gut“ erklären. Das „gut“ wortwörtlich zum Gesetz machen? Das wäre dann das Ende der Demokratie und der parlamentarischen Auseinandersetzung. Es nicht „gut“ zu finden, wäre ja schon ein Gesetzesverstoß. Und das ausgerechnet in Berlin!

Falsche Doktortitel, anmaßende Bezeichnungen, Berliner Neusprech – diese Politik, die sprachlich ungelenk auf Stelzen daher kommt, verstärkt und rechtfertigt noch die ohnehin bestehende Verdrossenheit. Wer durch das Ganglabyrinth des Bundestags irrt, fühlt sich zuweilen bereits in die Orwell-Welt, in die Pyramide des Wahrheitsministeriums versetzt. Eine uniform frisierte und gekleidete Abgeordneten- und Beamtenkaste bevölkert das Berliner Regierungsviertel, die abgehoben und blasiert erscheint. Vor allem die Jüngeren treten geradezu zwanghaft im gleichen, steril-verwechselbaren-unisex Outfit auf, der Arbeitskleidung der Akademiker-Polit-Kaste. Und das Very-Busy-Sein ist die Wichtig-Geste, mitsamt Neusprech und Schnellsprech ohne Punkt und Komma, an der sich ihresgleichen erkennen. Da ist es schon verständlich, dass ein Dr.-Titel auf dem Briefkopf unverzichtbar erscheint.

Meine Befürchtung: All diese Geschöpfe und Sprachschöpfungen entstammen diversen Beraterfirmen, die längst heimlich die Macht in den Regierungs- und Parlamentsfluren übernommen haben. Macht, die ihnen nicht vom Volk verliehen wurde! Und deshalb nicht legitim, ja brandgefährlich ist!

Das Denken darf man nicht an solche delegieren, die sich nicht rechtfertigen müssen und jede Auskunft verweigern dürfen. Von der Leyens einstige Staatssekretärin und teure Freundin aus der Beraterfirma ist das beste Beispiel.

Ich kann nur empfehlen: Lest George Orwell! 1948 hatte der ehemalige BBC-Redakteur seinen letzten Roman geschrieben, der da hieß: „1984“. Es ist ein literarisches Vermächtnis – geschrieben für die heutige Zeit. Über die Zerstörung des Einzelnen, des Privaten. Und dieser Roman war gewissermaßen das Wetterleuchten zur Geburt unserer Verfassung im Jahre 1949. Da bin ich übrigens auch geboren.

 

 

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