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Jetzt rennt 'ne neue Sau durchs Dorf

Ist der bösartige EHEC-Erreger in einer Biogasanlage ausgebrütet worden? Niemand weiß was - und das beunruhigt am meisten

Von Veronica Maguire und Ralph Lorenz

Lübeck/Hameln (wbn). Dies scheint das Ende der ohnehin spanisch vorkommenden Ga-ga-Gurkendiskussion zu sein. Das hatte niemand auf dem Monitor: Jetzt geraten Biogasanlagen unter Verdacht, den bisher nicht gekannten besonders aggressiven EHEC-Erreger regelrecht ausgebrütet zu haben. Hier kommen Gülle, Mais und andere Biostoffe in einem Gärprozess zusammen!

Unterdessen ist allein an diesem Wochenende auf niedersächsischer Landesebene die Zahl der EHEC-Fälle (und Verdachtsfälle) von 418 am Freitag auf nunmehr 470 Fälle an diesem heutigen Sonntag gestiegen. Es sind die jüngsten Zahlen aus dem Gesundheitsministerium in Hannover.

Die Erkenntnisse, was da in den Behältern aktuell biochemisch abläuft, sind eigentlich noch ziemlich unausgegoren. Niemand weiß so richtig, was in diesen „Brut-Reaktoren“ tatsächlich passiert. Es interessiert nur die Energie, die hierbei gewonnen wird - und allein in Niedersachsen 7,5 Prozent des heimischen Strombedarfes deckt.  Gerade der Norden Deutschlands fällt durch die meisten EHEC-Fälle auf. Hier sind sie auch zum ersten Mal lokalisiert worden. In Norddeutschland ist aber auch die Verbreitung der Biogasanlagen besonders ausgeprägt! Allein in Niedersachsen gibt es in diesem Jahr nach Informationen der Weserbergland-Nachrichten.de 1.333 Biogasanlagen mit durchschnittlich 480 Kilowatt (kW) installierter elektrischer Leistung. 6800 Biogasanlagen sollen es deutschlandweit sein. Und: Die Biogastechnik schreitet gerade auch im Weserbergland hurtig voran. In Coppenbrügge wird gerade wieder eine Anlage gebaut, nachdem der Nachbarort Salzhemmendorf bereits seit Jahren erfolgreich – und ohne jede Probleme - leistungsfähige Biogasanlagen einsetzt. Die „Welt am Sonntag“ berichtet heute auf Seite 1, dass sowohl Labormediziner als auch Veterinäre die Biogasanlagen in Deutschland als eigentliche Quelle des mutierten Erregers von Blutdurchfall nicht ausschließen. (Zu den Bildern: Oben: EHEC-Erreger unter dem Mikroskop. Schönheit des Grauens. Foto: Gesundheitsministerium Niedersachsen: Unten: Die Biogasanlage in Emmerthal - eine von 6800 Anlagen in Deutschland. Foto: Maguire/Weserbergland-Nachrichten.de)

 

Fortsetzung von Seite 1

In den Gär-Behältern der immer zahlreicher werdenden Biogasanlagen entstünden Bakterien, die es zuvor noch nie gegeben habe, sagte Bernd Schottdorf, Gründer des mit 1500 Mitarbeitern größten privaten europäischen Medizinlabors Schottdorf MVZ in Augsburg, der "Welt am Sonntag". Die Bakterien würden sich in den Biogasanlagen verschmelzen. Weiter heißt es in dem Zeitungsbericht unter ‚Berufung auf Schottdorf: „Was da genau passiert, ist weitgehend unerforscht."  Eine noch nie dagewesene Krankheitserreger-Mixtur wird dann auf die Äcker gebracht. Als Düngemittel. So jedenfalls, würde sich dann nach Expertenmeinung der Kreis wieder schließen.

Der Leiter der Agrar- und Veterinärakademie in Horstmar-Leer, Ernst Günther Hellwig, hält dies der Zeitung zufolge ebenfalls für vorstellbar. Die Botschaft dieser noch spekulativen Überlegungen lautet: Deutschlands Biogasanlagen müssen schnellstens auf das EHEC-Risiko überprüft werden. Eine besonders verdächtige EHEC-Spur führte bislang nach Lübeck in ein Restaurant, das sich auf Kartoffelspeisen spezialisiert hat. Es gibt jedoch keine Hinweise, die den gastronomischen Betrieb selbst belasten.

Führt die Verdachtsspur jetzt in eine bestimmte Biogasanlage im Raum Lübeck?

Schon 2008 haben Wissenschaftler vor EHEC im Gärrest von Biogasanlagen  gewarnt!

Das Jäger-Fachjournal „Wild und Hund“ hat sich auf seiner Website bereits am Mittwoch der zurückliegenden Woche – also noch vor der „Welt am Sonntag“ - mit der Möglichkeit befasst, dass Biogasanlagen in Deutschland als Brutstätte für EHEC und andere Erreger in Frage kommen könnten.

Hier einige Auszüge aus dem aktuellen Beitrag: „...Die EHEC-Bakterien, aber auch die Bolutlismus auslösenden Sporen Clostridium botulinum gelangen über Gülle oder Restmasse aus Biogasanlagen als Dünger auf die Nahrung, die roh oder ungewaschen die Darmerkrankung auslösen. Doch wie kommt das Bakterium in die Biogasrestmasse? Wiederkäuer können beispielsweise den Erreger „physiologisch wieder ausscheiden. Außerhalb ist er einige Wochen überlebensfähig.

Biogasrestmasse stinkt nicht und stellt deswegen für Obst und Gemüse eine perfekte Düngung dar… Untersuchungen von Marta Carballa von der Universität Santiago de Compostela (2008) belegen, dass sich auch Colikeime (wie EHEC) im Gärrest finden lassen, die dann eventuell infektiös nach Ausbringung auf die Gemüsefelder sein könnten, verbreitet der Agrarinfodienst Proplanta. Dies vermuten Wissenschaftler ja bereits auch bei Sporen von Clostridium botulinum… Auch hier besteht eine hohe Infektionsgefahr des chronischen Botulismus für Mensch und Tier. Bei dem Bakterium EHEC könnte sich die Situation ähnlich darstellen, vermuten Wissenschaftler der Agrar- und Veterinär-Akademie (AVA)…“

Ohne Gülle geht's nicht! High life auf kleinster Ebene

Verschiedene Arten von Mikroorganismen feiern in einer Biogasanlage Tag und Nacht eine Riesenparty.

Nachfolgend zur Erläuterung ein Ausztug aus Wikipedia zum Stichwort Biogasanlage: In einer Biogasanlage erfolgt der anaerobe (ohne Sauerstoff) mikrobielle Abbau (Vergärung) des eingesetzten Substrats. Dieses besteht meist aus gut abbaubarer Biomasse wie Gülle, Energiepflanzen (vor allem Mais-,  Getreide- und Grassilage), landwirtschaftlichen Nebenprodukten oder Bioabfällen.  Stroh und Holz, die vor allem Cellulose und Lignocellulose enthalten, sind unter anaeroben Bedingungen nur schwer oder gar nicht abbaubar und werden daher nicht eingesetzt.

Verschiedene Arten von Mikroorganismen nutzen die komplex zusammengesetzte Biomasse (vor allem Kohlenhydrate,  Fette und Proteine) als Nährstoff- und Energielieferanten. Anders als beim aeroben (mit Sauerstoff) Abbau (z.B. Kompostierung) können die Organismen bei der anaeroben Vergärung aber nur einen geringen Teil der enthaltenen Energie nutzen. Die anaerob nicht nutzbare Energie befindet sich im „Abfallprodukt“ Methan.

 

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