Akten von Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken ausgewertet - Sozialministerin Carola Reimann zeigt sich bestürzt
Bericht über unzulässige Arzneimittelversuche an Kindern in Fürsorgeeinrichtungen
Dienstag 1. September 2020 - Hannover (wbn). Eine im Juni 2019 im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vorveröffentlichte Studie Medikamentenversuche an Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Heimerziehung in Niedersachsen zwischen 1945 und 1978 hat Hinweise vorgelegt, dass im besagten Zeitraum Arzneimittelversuche in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken des Landes sowie in sogenannten Fürsorgeeinrichtungen durchgeführt worden sind.
Dabei wurden internationale ethische Standards verletzt und mutmaßlich Rechtsbrüche begangen. Jetzt hat das Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung (IGM) im Auftrag des Ministeriums einen zweiten Bericht zu diesem Thema vorgelegt.Fortsetzung von Seite 1
In diesem werden die Erkenntnisse aus der ersten Studie anhand des Studiums von Kranken- und Heimakten vertieft und konkretisiert. Die verantwortliche Wissenschaftlerin des IGM, Christine Hartig, wertete dafür Akten von Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken in Wunstorf und Königslutter, der Universitätsklinik Göttingen und von Erziehungsheimen aus.
Hinweise auf Arzneimittelstudien, die an diesen Einrichtungen durchgeführt wurden, fanden sich insbesondere in den Krankenakten der KJP Wunstorf sowie für ein Fürsorgeheim, das von dem damaligen Leiter der KJP Wunstorf betreut wurde. Sozialministerin Carola Reimann erklärt dazu: „Die wissenschaftliche Untersuchung dieser Vorgänge belegt noch einmal sehr eindrücklich das erschreckende Ausmaß dieser illegalen und zutiefst unethischen Arzneimittelstudien in niedersächsischen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken. Was wir heute für die Betroffenen tun können, ist die Missstände der damaligen Zeit historisch aufzuarbeiten und öffentlich zu machen und das erlittene Leid anzuerkennen. Der Bund, die Länder, die Kirchen sowie deren Wohlfahrtsverbände haben hierfür die Stiftung Anerkennung und Hilfe ins Leben gerufen.
Die Aufgabe dieser Stiftung ist es, Personen zu unterstützen, die in der Vergangenheit als Kinder oder Jugendliche in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an den Folgewirkungen leiden.“