Der Kommentar
Zwei Bewerber in der Bürgermeister-Stichwahl. Aber nur einer erfüllt die entscheidende fachliche Voraussetzung
Von Ralph L o r e n z
Am Sonntag gehen zwei Bürgermeister-Kandidaten in die Stichwahl in Coppenbrügge. Wer die meisten Stimmen auf sich vereint, der hat nunmehr gewonnen.
Doch wissen die Wählerinnen und Wähler überhaupt, dass es tatsächlich nur einen einzigen Kandidaten gibt, der nachweislich die fachliche Voraussetzung zum Hauptverwaltungsbeamten erfüllt? Und damit schlussendlich zum Bürgermeister von Coppenbrügge befähigt ist?
Das ist der eigentlich Paukenschlag zum Vorabend der Coppenbrügger Stichwahl. Der andere Bewerber traut sich den Job als Rathauschef lediglich zu. Ohne Nachweis jeglicher verwaltungsfachlicher Prüfung und Befähigung. Das ist der im ersten Wahlgang mit den größeren Vorschußlorbeeren der Zustimmung versehene Wahlkämpfer Thomas Küllig.
Wenn er also zum Dienstherren gewählt würde, könnte er nur das durchsetzen, was der fachliche Verwaltungsbeamte „unter ihm“ aus rein verwaltungsrechtlicher Sicht mittragen würde. Es wäre eine absurde, vom Wahlvolk so noch gar nicht erkannte Situation: Küllig wird als Bürgermeister gewählt und von seinem Mitbewerber und vormaligen „Wahlkampfgegner“ Wiwiorra, der ohnehin im Rathaus sitzt, getragen und rein fachlich letztlich im Rathaus kontrolliert.
Eine Posse, die uns das niedersächsische Kommunalwahlrecht nach dem Wechsel von der einst britisch beeinflussten „Zweigleisigkeit“ (Repräsentant plus Verwaltungsdirektor) - auf „Eingleisigkeit“ (in der Person des Hauptverwaltungsbeamten) eingebrockt hatte.
Und nun die Frage an unsere Leser: Wenn Sie Ihr Kind einer Busfahrt anvertrauen – wem würden Sie das Kind guten Gewissens übergeben?
Dem Gemeinde-Busfahrer, der einen entsprechenden Führerschein und eine unfallfreie und langjährige Praxis als Berufskraftfahrer vorzuweisen hat? Oder dem Mann, der noch nie am Steuer eines Omnibusses gesessen hat, geschweige denn eine entsprechende Fahrprüfung vorweisen kann. Aber nunmehr auch mal am Steuer platznehmen und für frischen Wind sorgen will. Weil die Mehrheit ihn so nett, so sympathisch, so cool findet und er dazu an so vielen Haustüren geklingelt hat.
Eine verrückte Frage, meinen Sie? Aber die Mehrheit der Coppenbrügger ist nach einem ersten Wahlgang in der Bürgermeisterwahl genau der Meinung, dass die blanke Unerfahrenheit durchaus der Kompetenz und erwiesenen Befähigung vorzuziehen sei.
Damit mal „frischer Wind“ reinkommt, was immer das heißen und kosten soll.
Und verbreitet sich nicht gerade in Deutschland die populistische Stammtischmeinung: "Politik kann jeder"?
Da ist dieser wirklich nette Feuerwehrmann Thomas Küllig mit seinem bestens vernetzten Feuerwehrmann-Vater im Rücken. Ein gestandener Haustürwahlkämpfer. Zweifellos der richtige zupackende Mann wenn’s brennt.
Aber das Rathaus brennt nun mal nicht. Und dem notorischen Schwelbrand in den Gemeindefinanzen vieler Kommunen kommt man auch nicht mit dem C-Rohr bei.
Die Pointe ist auch: Wenn die Regeln des streng reglementierten niedersächsischen Feuerwehrwesens knallhart in der Kommunalpolitik gelten würden, dann wäre Külligs Kandidatur von vornherein ausgeschlossen gewesen. Weil gerade die Karriereleiter eines Feuerwehrmannes gnadenlos eine Leiter der erfolgreich bestandenen Prüfungen ist. Ohne die darf niemand ausrücken. Und auch nicht einrücken.
Und es drängt sich eine weitere Lehre auf. In der Kommunalpolitik wird gern von der Persönlichkeitswahl gesprochen. Doch sie ist in Wirklichkeit zur Netzwerkwahl mutiert.