Wie das Dörfchen Dörpe vor 50 Jahren zu einem Musikzug kam und warum Bokelmanns Borstenvieh über die Klinge sprang
“Christel, bind diene Kaie an ! Von getze aff moke wie haier Musike“
Dörpe (wbn). Weshalb mussten Bokelmanns Schweine dran glauben, als sich vor 5o Jahren im Coppenbrügger Ortsteil Dörpe ein Musikzug formierte? Und weshalb sollte die Christel ihren „Kaie anbinden“?
Wer war der Kamerad, der sich – sobald er am Bergmannsweg aus dem schattigen Wald hervortrat – mit einem schmetternden Trompetensolo markig im Dörfchen Dörpe ankündigte? Spannende Fragen, die zu den letzten der Menschheit gehören. Sie werden in diesem bewegten Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des am 7. April 1960 gegründeten Musikzuges Dörpe ultimativ nach fünf Jahrzehnten beantwortet.
Von Michael K ä m m e r e r (Musikzugführer) und Julia Z e r r f u c h s (stellvertretende Musikzugführerin)
Es war einmal, aber dennoch kein Märchen… Im Dezember 1959 trafen sich die Kameraden des Kommandos der Freiwilligen Feuerwehr Dörpe im altwürdigen Gasthaus zur Linde in Dörpe. Man diskutierte, überlegte und schmiedete Pläne für das im darauffolgenden Jahr stattfindende Feuerwehrfest. „Wir haben fast gar keine Dörper Vereine, die an unserem Umzug teilnehmen können. Die wenigen, die unser Vereinsleben prägen drohen auseinanderzubrechen. Was machen wir“, so die fragenden Worte der Anwesenden. Vorschläge wurden debattiert: Die Gründung eines Gesangvereins, eines Spielmannszuges, eines Fanfarenzuges oder gar einer Schalmeiengruppe stand im Raum.
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Nein, das war alles nicht das Richtige. Das eine war viel zu teuer, das andere gab es im Nachbardorf und außerdem musste es etwas sein, was aus den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr kommt. Da war man sich einig. So vergingen die Stunden. Werner Bokelmann, Ernst Holweg und Heinz Vollmer standen zusammen, da kam der Spruch: “ Wenn es euch gelingt eine Blaskapelle auf die Beine zu bringen, dann füttere ich meine Hausschweine ein Jahr lang umsonst und stifte die Instrumente“, so Werner Bokelmann.
So endete der Abend, ohne dass sich einer über diese eben gemachte Aussage Gedanken gemachte. Im Januar war man wieder zusammen und rätselte ob der Spruch von Werner Bokelmann ernst gemeint war. Natürlich! Dann die Überlegungen: Was kostet das alles, gibt es talentierte Musiker, wer dirigiert diese Kapelle ? Aufgaben wurden verteilt. Ernst Holweg war für die Suche eines Kapellmeisters verantwortlich. Heinz Vollmer suchte gleichzeitig die passenden Musiker und Werner Bokelmann spendierte tatsächlich die Instrumente. Diese Suche war letztendlich viel einfacher als man dachte. Nach kurzer Zeit gelang es das passende Personal zu finden.
Adolf Knoke, ein leidenschaftlicher Musiker aus Osterwald, wurde Kapellmeister und lud gleich die von Heinz Vollmer gefundenen talentierten Musiker nach Osterwald zum Probetraining ein. Und da waren sie: Ernst Holweg und Heinz Vollmer an der 1. Trompete, Helmut Menzel und Walter Laubinger am Althorn, Manfred Urbisch und Willibald Peschka mit dem Tenorhorn, Ernst Knoke an der Posaune, Heinz-Georg Claus und Wilhelm Exner am 2. Flügelhorn, Werner Claus mit der Tuba und Hildebrandt v. Breitenbuch mit eigenem Instrument am 2. Flügelhorn. Das sind die Gründer der Feuerwehrkapelle/des Musikzuges Dörpe mit Gründungstag 7. April 1960. Kurz danach wurde diese Gruppe noch mit Kurt Knoke am Schlagzeug ergänzt. Fortan traf man sich zum Üben im Gasthaus Dreyer in Dörpe.
Adolf Knoke kam immer zu Fuß über dem Bergmannspfad im Osterwald und kündigte, am Kreuzweg, sein Ankommen mit einem kräftigen Trompetensolo an. Als er das erste Mal in Dörpe ankam und Christel Bartels beim Vorbeigehen traf, kam der berüchtigte Satz: “ Christel, bind diene Kaie an ! Von getze aff moke wie haier Musike“. Das war eine weise und richtige Entscheidung ! Im ersten Jahr wurden die Kosten des Dirigenten vom Stifter und Gönner Willi Steinkamp übernommen. Somit war auch dieses Problem gelöst. Nachdem eifrig geübt wurde, konnte schon wenige Wochen nach der Gründung der erste öffentlichen Auftritt durchgeführt werden. Kamerad Manfred Urbisch feierte Hochzeit. Das war ein Spaß!
Und beim Feuerwehrfest im Sommer hörte man die Dörper zigmal mit dem Traditionsmarsch: „Marsch König Friedrich des Großen“. Beim folgenden Katerfrühstück freuten sich die Kameraden dann noch über viele Spenden und mit Kamerad Heinz Vollmer wurde sodann auch der richtigen Musikzugführer gefunden. Alle notwendigen Ausstattungsgegenstände wurden nach und nach beschafft. Notentaschen, Notenständer, Uniform und natürlich auch Notenmaterial standen auf dem Einkaufszettel. Mehrere Jahre vergingen und der Musikzug Dörpe wuchs und wuchs. Leider kam die Zeit, in der Adolf Knoke schwerer erkrankte. Wilhelm Brüntink, Leiter einer Jugendmusikschule, musste ihn immer öfter vertreten.
1970 war es dann leider soweit, „Onkel Adolf“ von allen nur genannt, übergab den Taktstock an Richard Grewe aus Duingen. 10 Jahre waren nunmehr vergangen. Aber auch Richard Grewe war ein Fachmann im Musikbereich und die Dörper kamen mächtig ins Schwitzen. Die Qualität wurde immer besser. Auftritte wurden mehr - und die Übungsabende intensiver. Erste Kontakte zu anderen Vereinen wurden intensiviert und Zeit mit vielen guten Auftritten verbracht. Aber irgendwann war es wieder soweit: Nach einer abermals 10-jährigen Amtszeit verabschiedete sich Richard Grewe beim Musikzug.
Mit Wolfgang Krebs aus Hameln fand der Musikzug sofort einen neuen Musikmeister. Akribisch wurde gearbeitet, neue Musikrichtungen ausprobiert und eingeübt, hingebungsvolle Übungsabende abgehalten, Konzerte durchgeführt und die Jugendarbeit herangetrieben. Leider, abermals nach einer 10-jährigen Musikzeit, musste Wolfgang Krebs aufgrund einer schwereren Erkrankung den Dörper Musikzug verlassen. Adolf Knoke, Richard Grewe und Wolfgang Krebs waren auf ihre Art Könner und Kameraden. Alle drei sind mittlerweile nicht mehr unter uns. Ihr Andenken aber wird weiterhin im Musikzug Dörpe fortleben. Fortan übernahm vertretungsweise Wolfgang Grah aus Bad Münder die musikalischen Geschicke und führte die Arbeit in Dörpe sehr erfolgreich fort. Musikzugführer Heinz Vollmer, der mit allen Dirigenten sehr gute Kontakte pflegte, was sich für das Wohlgehen des Musikzug stets positiv auszahlte, führte den Musikzug insgesamt 30 Jahre. Unter seiner Leitung wuchs ein richtig guter musikalischer Klangkörper heran.
Ende des Jahres 1990 legte auch er sein Amt nieder und wurde für seine ehrenamtliche und unentgeltliche Arbeit zum Ehrenmusikzugführer ernannt. Sein Nachfolger wurde Wilhelm Rose aus Coppenbrügge. Unter seiner Leitung wurde im Laufe der Zeit die Dirigenten Lutz Göhmann aus Hess.-Oldendorf und später Jörg Pommeranz aus Gronau verpflichtet. Mit diesen neuen Dirigenten begann auch eine neue Ära im Musikzug. Es kamen sehr viele moderne und flotte Stücke ins Programm und vor allen Dingen wurde ab sofort die Jugendausbildung im Musikzug extrem forciert vorangetrieben. Ganz besonderer Dank muss hier Stefan Rose ausgesprochen werden, der sich hingebungsvoll über viele Jahre der Jugendausbildung verschrieben hatte und unsere Jugendlichen zu hervorragenden Bläsern ausbildete.
Das Engagement von Stefan Rose war so groß, dass er ab 1996 in die Fußstapfen seines Vaters trat und die Tätigkeit des Musikzugführers auch noch übernahm. Unmittelbar nach Einläuten des Jahrhundertwechsels , verabschiedete sich Stefan Rose berufsbedingt und übergab den Musikzug Dörpe an den jetzigen Musikzugführer Michael Kämmerer. Unterbrochen wurde diese Dienstzeit, aus beruflichen Gründen, lediglich für ein Jahr. In diesem Jahr leitete Julia Zerrfuchs die Geschicke. Das Amt des Dirigenten übernimmt seither Olaf Rose. Seit nunmehr gut fast 10 Jahren herrscht damit auch wieder Kontinuität im Musikzug.
Seit langem ist der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Dörpe eine äußerst modern geführte Institution im Bereich der Feuerwehrmusik. Alle anstehenden Aufgaben werden mit dem gegründeten Musikrat diskutiert, bearbeitet und umgesetzt. Die Kameradschaft und die Nachwuchsarbeit stehen neben der Musik an erster Stelle. Gemeinsame Unternehmungen mit dem gegründeten Fan Club, mit befreundeten Vereinen, Stammauftritte bei vielen Firmen, bei Feuerwehrfesten, Konzerte im ganzen Landkreisgebiet bestimmen die Richtung.
Viele intensive Freundschaften haben sich gebildet, so z.B. mit dem Bläsercorps Hemmendorf, dem Deutschen Schützenverein Hameln, dem Schützenverein Coppenbrügge und natürlich allen Vereinen in Dörpe. Aktuelle Informationen findet man auf der neu gestaltenden Internetseite www. Musikzug-doerpe.de Alle Musikerinnen und Musiker möchten sich bei den Gründern, den Freunden und allen Einwohnern für das stetige Interesse und den Besuch bei vielen Auftritten herzlich bedanken.
Gefeiert wird am 1. Mai mit einer zünftigen Scheunenparty in Bruns Scheune am Feuerwehrgerätehaus. Bei Kaffee und Kuchen, Gegrilltem und gekühlten Getränken gibt der Musikzug ein Scheunenkonzert und bittet anschließend zum „Tanz up de Deel“. Offizielle Ehrungen sind anlässlich des Feuerwehrfestes am Samstag, dem 12. Juni, beim Kommers vorgesehen. Der Musikzug freut sich auf viele Besucher und natürlich auf die Gründungsmitglieder.