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WBN-Exklusiv-Interview - Wenn Sicherheitsüberprüfungen Mängel aufzeigen müsse "schneller gehandelt" werden

Landrats-Kandidat Walter ist für Ausstieg in Grohnde und bekennt: Die Laufzeitverlängerung war der falsche Weg! 

Grohnde/Hameln (wbn). Die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke ist von dem Spitzenbeamten im niedersächsischen Innenministerium und ehemaligen Redenschreiber von Angela Merkel, Dr. Stephan Walter, als "der falsche Weg" eingeräumt worden. Das Umdenken verglich er mit einer "kopernikanischen Wende in der CDU". Der CDU-Landratskandidat und hochrangige Mitarbeiter im niedersächsischen Innenministerium, Dr. Stephan Walter, stimmt den Demonstranten ausdrücklich zu, die bei ihrer Großdemonstration morgen vor dem Kernkraftwerk Grohnde für eine - so Walter - "schnelle Energiewende – ohne Kernenergie“ eintreten wollen.

Zu den Demonstranten gehört auch Walters ältere Tochter. In einem Interview mit den Weserbergland-Nachrichten.de im Vorfeld der Anti-Kernkraft-Kundgebung, bei der die Polizei nach einer offiziellen Einschätzung bis zu 10.000 Atomkraftgegner erwartet, sagte Walter, der im Innenministerium auch die Niedersächsische Extremismus-Informationsstelle leitet: „Wenn wir auf die Kernenergie verzichten wollen, dann müssen alle AKW’s vom Netz, auch Grohnde“. Wenn allerdings die Sicherheitsüberprüfungen Mängel aufzeigen würden, müsse man "schneller handeln". Walter räumt freimütig ein: „Die Laufzeitverlängerung war der falsche Weg. Diese Einsicht ist die „kopernikanische Wende“ der Union und der Bundesregierung.“ Interview im vollen Wortlaut unter Weiterlesen-Button!

(Zum Bild: Dr. Stephan Walter mit Innenminister Uwe Schünemann und dem Landtagsabgeordneten Otto Deppmeyer (Hintergrund) bei der Vorstellung als Landratskandidat für den Landkreis Hameln-Pyrmont. Foto: Lorenz)

Exklusiv-Interview mit Dr. Stephan Walter

Diese Einsicht ist die „kopernikanische Wende“ der Union und der Bundesregierung

 

WBN: Herr Dr. Walter, kommen Sie Ostermontag mit zur Grohnde-Demo, oder haben Sie was Besseres vor?

Dr. Walter: Viele Menschen wollen in Grohnde zum Ausdruck bringen, dass wir möglichst schnell eine Energiewende brauchen – ohne Kernenergie. Ich teile diese Auffassung. So wie auch die Mehrheit meiner Partei, der CDU. Am Montag werde ich an einem Ostergottesdienst teilnehmen und ein Familienmitglied im Krankenhaus besuchen. Meine älteste Tochter wird allerdings in Grohnde sein.

 

WBN: Die erste Landtagswahl nach dem Atomdesaster in Japan ist auch eine Abstimmung über die Energiepolitik der schwarz-gelben Koalition von Angela Merkel gewesen. Das Ergebnis ist bekannt. Wollen Sie ebenfalls einen solchen Super-Gau an der Wahlurne riskieren oder ist Ihre Sicht auf eine sogenannte „Brückentechnologie“ inzwischen eine andere?

Dr. Walter: Die erste Landtagswahl nach dem Unglück in Japan war die in Sachsen-Anhalt. Die CDU hat dort gut abgeschnitten und stellt den Ministerpräsidenten. Wo ist dort der Super-Gau an der Wahlurne gewesen? In Rheinland-Pfalz hat eine Woche später die CDU zugelegt und die SPD rund 10 % verloren. In Baden-Württemberg hat die CDU fast 40 % erreicht – mit sehr weitem Abstand vor allen anderen. Solche Ergebnisse ermutigen mich eher.

 Es ist schon seit vielen Jahren Konsens in Deutschland, dass wir aus der Kernenergie aussteigen. Es war ein großer Fehler von Bundeskanzler Helmut Schmidt und anderen, diese Technologie massiv zu forcieren und darin die Lösung unserer Energieprobleme zu sehen, ohne die Endlagerfrage beantworten zu können.

Diese Antwort steht bis heute aus, nicht zuletzt deshalb, weil Umweltminister Trittin sich zehn Jahre lang darum gar nicht kümmern wollte.

Ohne Atomstrom-Importe aus dem Ausland auskommen!

Das Desaster in der Asse hat dazu geführt, dass zusätzlich Glaubwürdigkeit  verloren gegangen ist. Doch der Müll ist da. Er muss sicher gelagert werden. Deshalb muss die Suche nach einem Endlager zügig weiter gehen, ergebnisoffen und nicht nur in Gorleben.

 Der Ausstieg aus der Atomenergie sollte so zügig wie möglich geschehen – mit Bedacht und mit Augenmaß, so wie es der Nabu und die Kanzlerin gesagt haben. Die Laufzeitverlängerung war der falsche Weg. Diese Einsicht ist die „kopernikanische Wende“ der Union und der Bundesregierung. Jetzt geht es darum, eine Energieversorgung so schnell wie möglich aufzubauen, die gleich mehrere Kriterien erfüllt: Sie muss sicher sein, sie muss die Klimaschutzziele erreichen, sie muss bezahlbar sein sowohl für die privaten wie für die industriellen Verbraucher, sie muss den Bedarf decken können und sie muss ohne Atomstromimporte aus dem Ausland auskommen. Das ist ein hoher Anspruch.

 Das Industrieland Deutschland kann und sollte hier Vorreiter sein. Das lohnt alle Anstrengungen. Ich erwarte davon einen enormen technologischen Schub. Gerade Hameln-Pyrmont hat in dieser Entwicklung viele Chancen. Hier sind viele schon lange mit erneuerbaren Energien unterwegs. Hier gibt es viel Erfahrung und Kompetenz. Das ist ein Pluspunkt für uns.

WBN: Niedersachsens Ministerpräsident McAllister sagt, die Kernkraft habe nicht wirklich eine Zukunft mehr – ist dies inzwischen auch Konsens in der schwarz-gelben Landesregierung?

Dr. Walter: Ich denke ja, denn der Ministerpräsident hat dies in seiner Regierungserklärung gesagt.

Wenn wir auf die Kernenergie verzichten wollen, dann müssen alle AKW’s vom Netz, auch Grohnde...

WBN: Sie meinen also auch, dass Grohnde vom Netz soll. Wie schnell?

 Dr. Walter: Wenn wir auf die Kernenergie verzichten wollen, dann müssen alle AKW’s vom Netz, auch Grohnde. Das war immer klar. Nun geht es darum, die Energiewende so schnell wie möglich zu schaffen. Wenn allerdings die Sicherheitsüberprüfungen Mängel aufzeigen, muss man schneller handeln.

WBN: Das Kernkraftwerk Grohnde ist nahezu umzingelt von Windrädern auf den Anhöhen des Wesertales. Stimmt Sie das hoffnungsvoll, dass wir in der Bundesrepublik die Energiewende schaffen oder sprechen Sie auch von einer Verspargelung der Landschaft? An Spargel ist noch niemand gestorben!

Dr. Walter: Wir benötigen die Energiewende. Aber wir sehen auch, dass keine Energieform ohne Probleme ist. Zum Teil gibt es sogar massive Widerstände in der Bevölkerung. Manche wenden sich gegen den Bau von Wasserspeichern, gegen Stromtrassen in ihrer Nähe, gegen Biogasanlagen, weil sie den Maisanbau für ökologisch problematisch halten, gegen Solaranlagen, weil sie zu teuer sind oder schwer zu entsorgen sind, gegen Windkraftanlagen, weil sie das Landschaftsbild beeinträchtigen oder den Denkmalschutz. Wir müssen das ernst nehmen.

 Wir sehen doch: Eine Energiepolitik, die von den Menschen nicht akzeptiert wird, hat keine Zukunft. Deshalb ist es so wichtig, im Zuge des nötigen forcierten Ausbaus der erneuerbaren Energien die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, sie zu beteiligen und zu überzeugen, das ein oder andere Bedenken aufzugeben. Es geht immer um Abwägungen. Spätestens seit Fukushima wird aber anders abgewogen als davor. Mir erscheint dabei besonders wichtig, dass die Politik einen möglichst breiten Konsens in Energiefragen anstrebt. Das erleichtert die Durchsetzung von Infrastrukturvorhaben.

 Ich sage: Diesen Konsens brauchen wir nicht nur national, sondern auch regional. Denn die Energiewende muss vor Ort mit konkreten Schritten und Maßnahmen umgesetzt werden. Wir haben jetzt die Chance zu diesem Konsens. Wir sollten sie nutzen.

WBN: Welchen Preis, glauben Sie, ist der Bürger für den Ausstieg aus der Kernenergie bereit zu zahlen? Einen Euro für die Kilowattstunde? Sollten die Schlechterverdienenden im Landkreis dann einen Ausgleich bekommen bevor sie bei Kerzenlicht ihren Hartz-IV-Bescheid lesen?

Dr. Walter: Die Energieversorgung muss bezahlbar sein, das heißt auch sozial verträglich sein. Eine Energiepolitik, die zur Zerstörung unserer sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen führt, ist nicht sinnvoll. Wenn wir es klug anstellen, dann wird mit ihr ein technologischer und auch wirtschaftlicher Schub verbunden sein, der auch zu neuen Arbeitsplätzen führt. Eine Subventionierung von Energie werden wir uns nicht auf Dauer wieder leisten können. Für die Hartz-IV-Empfänger werden die Lebenshaltungskosten berücksichtigt, also auch die Energiekosten.

Ich möchte in Energiefragen auch hier vor Ort den Konsens anstreben

WBN: Wir haben in Hameln eines der grünsten Stadtwerke in Deutschland. Und das, man staune, als Hinterlassenschaft eines CDU-Lokalmatadoren Klaus Arnold, der schon früh auf Wasserkraft und Biogasanlagen gesetzt hat. Wie viel Grün ist im Landratskandidaten Dr. Stephan Walter drin?

 Dr. Walter: Nur der staunt, der die CDU nicht kennt. Ob Katalysator, bleifreies Benzin oder die Gründung des ersten Bundesumweltministeriums – alles und noch viel mehr unter CDU-Verantwortung. Ich habe vor genau 20 Jahren ein Gespräch mit Joseph Fischer in Bad Godesberg miterlebt. Mir ist sehr gut in Erinnerung, als er damals sagte, in 20 Jahren könne er sich sogar eine schwarz-grüne Koalition vorstellen, wenn die Union in der Frage der Atomenergie bis dahin anders denke. Die Energiepolitik ist nach meiner Einschätzung nicht mehr die größte Hürde zwischen Schwarz und Grün. Ich möchte in Energiefragen auch hier vor Ort den Konsens anstreben. Das ist möglich. Es geht nicht um Ideologien, sondern um eine sachgerechte Energiepolitik mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Unternehmen. Im Übrigen hatte ich mich als Student dagegen gewandt, dass Herbert Gruhl aus der CDU gedrängt worden ist. Helmut Kohl hat dies viel später als Fehler eingesehen. Gruhl wurde dann Mitbegründer der Grünen-Partei.

WBN: Die Grünen schmeißen sich noch vor der Wahl Ihrem Mitbewerber um das Landratsamt, Landrat Rüdiger Butte, an den Hals und verzichten deshalb sogar auf einen eigenen Kandidaten! Was hat das schwarz-grün-gelbe Bündnis im Kreistag im Innenverhältnis denn falsch gemacht, das nach außen erstaunlich reibungslos zu funktionieren schien?

 Dr. Walter: Ich gehöre nicht der Kreistagsfraktion an, kann daher auch über die zurückliegenden Jahre der Zusammenarbeit keine Auskunft geben. Es ist allerdings erstaunlich, dass die Grünen im Kreis nach Baden-Württemberg, angesichts guter Umfragen und sogar einer Diskussion um einen grünen Kanzlerkandidaten so wenig Selbstvertrauen haben. – weniger offenbar als die FDP vor Ort. Von der Landesebene höre ich aber, dass die Grünen die Parole ausgegeben haben, in ganz Niedersachsen Rot-Grün anzustreben und alles andere zu verhindern. Offenbar muss sich der Kreisverband mit einer Landesvorsitzenden an seiner Spitze diesen Vorgaben beugen.

Die Einschätzung von Herrn Butte ist nur bedingt richtig

WBN: Ihr Mitbewerber Rüdiger Butte hat die Diskussion über die Konsequenzen aus der Atomkatastrophe in Fukushima bereichert. Er stellt grundsätzlich in Frage ob ein Landrat auf seiner Ebene mit seinen Mitteln überhaupt das Katastrophenschutz-Krisenmanagement bei einem AKW-Ernstfall betreiben kann. Er sieht hier in Führungsfragen das Land, eher noch den Bund gefordert. Stimmen Sie dem zu?

 Dr. Walter: Die Einschätzung von Herrn Butte ist nur bedingt richtig. Erstens: Es gibt bereits heute für jeden Landrat die Möglichkeit, die zentrale Leitung im Katastrophenschutz durch die Polizeidirektion übernehmen zu lassen. Zweitens: Im Katastrophenfall ist geregelt, dass die Radioaktivität ständig geprüft und die Werte an ein zentrales Lagezentrum übermittelt werden. Von dort erhält der Landrat eine Empfehlung zur Vorgehensweise. Wenn der jetzige Landrat glaubt, seiner Verantwortung auf Grund dieser Empfehlung nicht gerecht werden zu können, soll er das dem Innenministerium mitteilen. Drittens: Auch in punkto Öffentlichkeitsarbeit gibt es eindeutige Vorgaben für eine überregionale und einheitliche Vorgehensweise.

 Richtig ist, dass die Erfahrungen von Fukushima bei allen Katastrophenschutzplanungen und zukünftigen Übungen einfließen müssen. Alle Schutzplanungen müssen immer kontinuierlich überprüft werden. Wie ich höre, hat der Landrat eine geplante Katastrophenschutzübung am AKW Grohnde, die im Herbst 2010 vorgesehen war, verschoben.

Die Gründe dafür sollte der Landrat schon darlegen.

(Das Gespräch führte Ralph L o r e n z)

 

 

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