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Für die Staatsanwaltschaft war es höchste Eisenbahn, doch dann hat sie den Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses vorübergehend aufs Abstellgleis geschoben

Was der Lokführerstreik mit der Ministerien-Razzia mitten im Wahlkampf zu tun hat

Aus Hannover berichtet Ralph L o r e n z

Dienstag 21. September 2021 - Hannover (wbn). Wenn das Gewerkschaftsboß Weselsky wüsste. Der Lokführerstreik soll daran Schuld sein, dass die Staatsanwaltschaft in Osnabrück erst am Donnerstag vorvergangener Woche ihre Razzia in dem Bundesfinanzministerium und dem Bundesjustizministerium gestartet hat und damit in die heiße Wahlkampfphase des aussichtsreichen SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz hineingeplatzt ist.

Das geht aus der Auskunft aus dem Haus der niedersächsischen Justizministerin Havliza (CDU) auf die Kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Wiard Siebels hervor. Dass es auch alternative und sogar schnellere  Transportmittel gibt, kam der Osnabrücker Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht in den Sinn. Nicht weniger exotisch nimmt sich die Antwort auf die Frage aus weshalb im Vorfeld der Durchsuchung nicht einfach „auf dem regulären Dienstweg“ das Bundesfinanzministerium dazu aufgefordert worden sei, die gewünschten Ermittlungsunterlagen zur Verfügung zu stellen.

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Ein Sachbearbeiter im Bundesfinanzministerium hatte nämlich die Frage einer Staatsanwältin mit dem Hinweis auf Geheimhaltungserfordernisse beantwortet und auf den „ordentlichen Dienstweg“ verwiesen. Diese durchaus korrekte Standardreaktion auf Sachbearbeiterebene mit dem Hinweis auf den Dienstweg hat offenbar eine Art Krisensitzung in der Osnabrücker Staatsanwaltschaft ausgelöst.
Es wurden „nicht auszuschließende Beweismittelverluste“ gemutmaßt, weshalb Durchsuchungsbeschlüsse beantragt wurden um „insbesondere E-Mail-Konten, handschriftliche Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle und Korresponden zu sichern“.
Wörtlich: „Eine lediglich schriftliche Übersendung der Durchsuchungsbeschlüsse hat sich der Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund eines möglichen Beweismittelverlustes in diesem Stadium nicht mehr als hinreichend erfolgversprechend dargestellt“. Und nochmals mit anderen Worten: Eine ganze Bundesbehörde wurde nach einem rein formalen Hinweis, der alles andere als eine Absage war, unter Generalverdacht gestellt.
Schwarz auf Weiß liegt nun auch die Bestätigung vor,  dass eine Staatsanwältin einerseits mit einem angeblich dringlichen Vorgang befasst ist, andererseits aber erstmal in Urlaub geht. Und sie damit auch keine Fehler, die in diesem Zusammenhang gemacht woden sind, korrigieren kann. Erst nach ihrer Rückkehr fiel nämlich auf, dass der Amtsrichter in Osnabrück nur für das Bundesfinanzministerium den geforderten Durchsuchungsbeschluss erlassen hatte. Weil möglicherweise auch er befremdet war, dass gleich in zwei Bundesministerien eine Razzia stattfinden sollte. Auch im Bundesjustizministerium.

Nachfolgend die Antwort des Niedersächsischen Landesjustizministeriums auf die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Siebels im Wortlaut:

Anfrage des Abgeordneten Wiard Siebels (SPD) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung

Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit Anfrage des Abgeordneten Wiard Siebels (SPD), eingegangen am 10.09.2021 - Drs. 18/9894  an die Staatskanzlei übersandt am 13.09.2021 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 15.09.2021

Vorbemerkung des Abgeordneten

Am 09.09.2021 war den Medien zu entnehmen (Tagesschau, Neue Presse u. a.), dass Beamte der Staatsanwaltschaft und der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück Amtsräume des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz durchsucht haben. Grund dafür sollen Ermittlungen wegen Strafvereitelung im Amt gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit (FIU), die organisatorisch bei der Bundeszollverwaltung angegliedert ist, gewesen sein. Berichtet wurde zudem, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück aufgrund einer Beschwerde einer Bank aus dem Jahr 2018 in dieser Sache bereits seit Februar 2020 in alle Richtungen ermittele. Der ZEIT Online vom 09.09.2021 erscheint „nicht nur der Zeitpunkt der Durchsuchungen zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl, auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Osnabrück (…) ungewöhnlich.“

Tatsächlich sei es unüblich, dass eine Ermittlungsbehörde gleich zwei Bundesministerien durchsuche, um Informationen zu erhalten. Nach Ansicht der ZEIT Online hätte die Staatsanwaltschaft in Osnabrück auf dem normalen Dienstweg ein behördliches Auskunftsersuchen stellen können, das dann über die Generalstaatsanwaltschaft an die Bundesministerien gegangen wäre.  Sowohl das Bundesministerium der Finanzen als auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz teilten der Presse mit, dass es keine Anforderung von Unterlagen seitens der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegeben habe. Weiterhin müsse nach Berichten der ZEIT Online für eine solche Durchsuchung „häufig eine Verdunklungsgefahr bestehen“. Abschließend berichtet die ZEIT Online, dass laut Insidern der Durchsuchungsbeschluss schon am 10.08.2021 ausgestellt sein soll, aber die Durchsuchung erst einen Monat später stattfand, was ebenso ungewöhnlich sei.

1. Weshalb wurden das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz seitens der Staatsanwaltschaft Osnabrück im Vorfeld der Durchsuchung am 09.09.2021 nicht auf dem regulären Dienstweg dazu aufgefordert, Unterlagen zum Zwecke der Ermittlung zur Verfügung zu stellen? Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat hierzu berichtet, dass sich im Zuge der Auswertung des bei der Financial Intelligence Unit (FIU) beschlagnahmten Beweismaterials Hinweise auf umfangreichen E-Mail-Verkehr zwischen der FIU, dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ergeben hätten, der die Arbeitsweise der FIU (sogenannter risikobasierter Ansatz) zum Gegenstand hat. Vor allem betraf dies ein Schreiben des BMJV an das BMF vom 15.05.2020. Die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft hat deshalb am 30.07.2021 zunächst fernmündlich Kontakt zum BMJV aufgenommen und darum gebeten, das vorgenannte Schreiben für das Ermittlungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Die Herausgabe wurde jedoch von dem zuständigen Mitarbeiter ausdrücklich unter Hinweis auf Geheimhaltungserfordernisse und mit dem Verweis auf den „ordentlichen Dienstweg“ verweigert.

Im Anschluss an das Telefonat erfolgte eine behördeninterne Abstimmung über das weitere Vorgehen mit dem Ergebnis, dass im Hinblick auf Nr. 5 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) und nicht auszuschließende Beweismittelverluste Durchsuchungsbeschlüsse beantragt wurden, um insbesondere E-Mail-Konten, handschriftliche Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle und Korrespondenz zu sichern. Eine lediglich schriftliche Übersendung der Durchsuchungsbeschlüsse hat sich der Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund eines möglichen Beweismittelverlustes in diesem Stadium nicht mehr als hinreichend erfolgversprechend dargestellt.

2. Wer hat - mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes - entschieden, eine Durchsuchung ohne vorheriges behördliches Auskunftsersuchen durchzuführen? Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat die Entscheidung, Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen und nach deren Erlass durch das Amtsgericht Osnabrück zu vollstrecken, autonom getroffen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

3. Wie erklärt sich die Zeitspanne zwischen dem mutmaßlichen Vorliegen des Durchsuchungsbeschlusses vom 10.08.2021 (laut Presseberichterstattung) und der Durchführung der Durchsuchung am 09.09.2021? Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat hierzu berichtet, dass die dort zuständige Dezernentin am 06.08.2021 bei dem Amtsgericht Osnabrück den Erlass je eines Durchsuchungsbeschlusses für das Bundesfinanzministerium und für das Bundesjustizministerium beantragt hat. Das Amtsgericht Osnabrück hat sodann am 10.08.2021 versehentlich nur den Durchsuchungsbeschluss bezüglich des Bundesfinanzministeriums erlassen, was die Dezernentin erst feststellen konnte, nachdem sie am 23.08.2021 - nach ihrem Urlaub - die Verfahrensakten wieder vorliegen hatte. Die Akten wurden daher unverzüglich erneut dem Amtsgericht Osnabrück übersandt, das am 25.08.2021 den Durchsuchungsbeschluss nun auch bezüglich des Bundesjustizministeriums erließ. Die Akten lagen der zuständigen Dezernentin dann am 26.08.2021 wieder vor.  Bereits ab dem 25.08.2021 wurden die beabsichtigten Durchsuchungen mit der zuständigen Zollkriminalinspektion vorbereitet und das konkrete Vorgehen erörtert. Insbesondere wurden Personaleinsatz und -verfügbarkeit für eine Anreise am 08.09.2021 und die Vollstreckung am 09.09.2021 abgestimmt. Aufgrund der notwendigen intensiven Vorbereitung und unter Berücksichtigung des Streiks der Gewerkschaft der Lokführer vom 02.09.2021 bis zum 07.09.2021 wurde der Durchsuchungszeitpunkt dann auf den 09.09.2021 festgelegt.

 

 

 

 

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