Rot, Grün, Orange - im Kreistag Hameln-Pyrmont wird ein neues Kapitel aufgeschlagen
Die Kreisrats-Stelle wird neu besetzt, Schule soll "neu gedacht" und Politik transparent werden - das Kreistagsbündnis nimmt sich viel vor
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Hameln (wbn). Der Mann, der sich diese Situation wohl viele Monate insgeheim und dann auch im Wahlkampf ganz offen herbeigewünscht hatte, sagte in dem historischen Augenblick gar nichts und hielt sich demonstrativ zurück. Landrat Rüdiger Butte hatte sein politisches Ziel erreicht. Es war die Geburtsstunde des neuen Kreistags-Dreierbündnisses im Landkreis Hameln-Pyrmont. Gleichzeitig dürfte es der erste Landkreis sein, bei dem die Piraten mit ans Ruder kommen. In diesem Fall durch Constantin Grosch. |
SPD, Grüne und ein Pirat im orangenen Outfit unterzeichneten im Rahmen einer Pressekonferenz unter dem Titel "Nachhaltigkeit und Fortschritt" die Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Kreistag Hameln-Pyrmont für die Wahlperiode bis 2016.Unter dem Motto "Mehr Dienstleistung in der Verwaltung" sollen in allen Bereichen der Kreisverwaltung die Arbeitsabläufe auf Effizienz geprüft werden. Verwaltungstätigkeiten sollen, verbunden mit einer Stellenreduzierung in diesem Bereich, weiter vereinfacht und stattdessen der Dienstleistungsbereich verstärkt werden. Und: "Stellennachbesetzungen in den Bereichen Jugend und Soziales unterliegen künftig nicht mehr den politischen Entscheidungen". Die Vereinbarung des Dreierbündnisses, das die vorangegangene schwar-grün-gelbe Jamaika-Koalition endgültiug zur Landkreisepisode werden lässt, hat es in sich. So solle im Rahmen einer nachhaltigen und fortschrittlichen Entwicklung der Um- und Neustrukturierung der Kreisverwaltung große Bedeutung zukommen und die Stelle der Kreisrätin, beziehungsweise des Kreisrates wieder besetzt werden
(Zum Video-Bild: SPD-Fraktionschef Ulrich Watermann und Constantin Grosch in der Pressekonferenz im Kreishaus.Video-Bericht: Ralph Lorenz)
Fortsetzung von Seite 1
"Wir wollen Schule "neu denken" und "anders lernen" ermöglichen, heißt es im bildungspolitischen Teil. Daher wird ein gymnasiales Angebot in Hessisch Oldendorf gefordert, sollte dort keine Integrierte Gesamtschule (IGS) durchgesetzt werden können. Und : "Wir wollen kreisweit ein gutes und zukunftfähiges Schulangebot nach den berechtigten Wünschen der Eltern schaffen. Dabei werde nach einem ausgewogenen Ganztagesangebot mit einem gesunden Mittagessen gestrebt. Im Rahmen der Möglichkeiten solle die Schulsozialarbeit und die Inklusion ausgebaut werden. Ferner: Die nSchulen im Sekundarbereich I und II solle der Landkreis in Trägerschaft übernehmen. Als wirkungsvoller Beitrag zur Entlastung der Eltern wolle sich dieses mehrheitsbündnis auch für die kostenlose Schülerbeförderung für Sekundarbereich II-Schüler einsetzen. Im Verkehrsbereich soll eine "Machbarkeitsprüfung" hin zu einem fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr erfolgen. Was die interkommunale Zusammenarbeit betrifft, wollen die Fraktionen dazu alle Möglichkeiten nutzen. Vieles werde aber ohne Unterstützung des Landes nicht gehen. Das Bündnis will "alles tun, um auch in kleinen Schritten eine Zusammenarbeit mit den kreiseigenen Kommunen und zwischen den Landkreisen zun verbessern."
Die Vereinbarung der SPD, der Grünen und der Piraten im Wortlaut
Präambel
Mit dieser Vereinbarung legen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen
und der Abgeordnete der Piratenpartei im Landkreis Hameln-Pyrmont die Eckpunkte
für ihre gemeinsame politische Arbeit in der kommenden Wahlperiode
fest.
Die Vereinbarung ist auf eine verbindliche Zusammenarbeit ausgerichtet und so
gestaltet, dass in einem kontinuierlichen Diskussions- und Entscheidungsprozess
auch für neue Anforderungen angemessene Lösungen erarbeitet werden können.
Die Fraktionen gestalten die Politik im Kreistag grundsätzlich auf der Basis ihrer
Programme. Um die Gruppenverantwortung deutlich werden zu lassen, sollen
die Abstimmungen einvernehmlich erfolgen. Unstimmigkeiten sollen bereits im
Vorfeld geklärt und ausgeräumt werden. Bei Entscheidungen, die die
Grundwerte der Programme berühren, muss nach vorheriger Absprache ein unterschiedliches
Abstimmverhalten toleriert werden.
Die Politik der nächsten fünf Jahre wird sich weiterhin an folgenden Prinzipien
orientieren:
• dem sorgsamen und nachhaltigen Umgang mit ökologischen, sozialen und finanziellen
Ressourcen
• der Gleichstellung aller Menschen
• dem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und der Beteiligung von
Betroffenen vor politischen Entscheidungen.
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1. Politikbereiche
1.1 Landkreis / Wirtschaft / Finanzen
Interkommunale Zusammenarbeit
Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, die sich im Rahmen einer interkommunalen
Zusammenarbeit ergeben. Auch neuen Wegen gegenüber werden wir
uns aufgeschlossen zeigen. Vieles wird aber ohne Unterstützung des Landes
nicht gehen.
Wir werden alles tun, um auch in kleinen Schritten eine Zusammenarbeit mit
den kreiseigenen Kommunen und zwischen den Landkreisen zu verbessern. Der
Landkreis nutzt künftig jede Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Dazu übernimmt
er nicht nur Aufgaben der Kommunen im Einvernehmen mit diesen, sondern unterstützt
auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kommunen.
Die Privatisierung von kommunalen Betrieben lehnen wir ab. Im Auftrag des
Landkreises dürfen zukünftig nur noch Unternehmen tätig werden, die die geltenden
Tarif- und Mindestlohnregelungen umsetzen.
Das Ziel muss sein, die Dienstleistung für BürgerInnen zu optimieren.
Unsere Wirtschaftsförderung soll die strukturellen Ressourcen bündeln. Wir setzen
Schwerpunkte in den Bereichen Informationstechnologie, Gesundheit, Tourismus
und Erneuerbare Energien. Wir wollen die Transparenz erhöhen, den Mittelstand
stärken und neue Firmen ansiedeln. Das setzt voraus, dass wir den Hochschulstandort
Hameln stärken und ausbauen. Dies soll unter dem Leitbild der
ökologischen Nachhaltigkeit erfolgen.
Von der Weserbergland AG werden wir strategische Ziele für ihre Arbeit einfordern
und überwachen, damit sich in Zukunft erfolgreiche Modelle besser in
konkretes wirtschaftliches Handeln umsetzen lassen. Dazu sollen über Budgetierung
und Controlling der Projekte, Akzente gesetzt werden.
Sparsames Haushalten bleibt auch für die nächsten Jahre oberstes Gebot, um
die Zukunftsaufgaben bewältigen zu können. Die Zusammenarbeit mit Nachbarkörperschaften
im Schulbereich, im Ver- und Entsorgungsbereich sowie der
Abfallwirtschaft ist notwendig, wobei nicht die Grenzen zwischen Kommunen
und Landkreisen sondern Qualität, Kostengesichtspunkte und Effizienz ausschlaggebend
sind
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1.2 Freiwillige Leistungen
Stärkung des Ehrenamtes zum Erhalt der Vereins- und Verbandsarbeit
Bürgerschaftliches Engagement ist eine Säule des Zusammenlebens und aus
dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Unterstützung gemeinwohlorientierter
Projekte birgt einen hohen Attraktivitätsgewinn für die Menschen. Daher werden
wir die wichtige Arbeit der Vereine, Verbände und Kirchen weiterhin unterstützen.
Sofern Förderungen des Landes wegzubrechen drohen, werden wir
prüfen, ob der Landkreis im Einzelfall durch die Übernahme der wegfallenden
Landesförderung weiterhin unterstützend tätig sein kann.
Kultur
Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir auch weiterhin Kulturangebote
wie z.B. Radio Aktiv, die Sumpfblume, den Landschaftsverband und andere Einrichtungen
unterstützen.
Sport
Der Erhalt eines flächendeckenden Breitensportangebots ist auch erforderlich,
um die Lebensqualität vieler Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Gleichzeitig
werden hiermit gesundheitspolitische Aspekte berücksichtigt. Deshalb werden
wir daran arbeiten, den Vereinen und Verbänden die Hallen und Gemeinschaftseinrichtungen
auch künftig kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Sicherheit
Wir unterstützen die ehrenamtlich tätigen Hilfskräfte, die mit vollem Engagement
und Einsatz bei Feuerwehr, THW und Rotem Kreuz für unsere Sicherheit
sorgen und in vielen Fällen Hilfe leisten.
Kinder und Jugendliche
Kein Kind darf zurückgelassen werden. Deshalb ist eine früh einsetzende abgestimmte
Kette von Präventionsmaßnahmen notwendig. Besonders in der
Sprachförderung und in der Familienbegleitung sehen wir einen deutlichen
Handlungsbedarf. Wir wollen, dass für Kinder in allen Schullaufbahnen gleiche
Qualitätsstandards gelten (Stichwort: Inklusion).
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1.3 Jugend / Schule / Soziales
Wir wollen Schule „neu denken“ und „anders lernen“ ermöglichen. Schulstrukturen
sind zwar nicht alles, sie schaffen aber die Rahmenbedingungen, die für
unsere Kinder von großer Bedeutung sind.
Daher fordern wir, sofern wir keine IGS durchsetzen können, ein gymnasiales
Angebot in Hess. Oldendorf. Wir wollen keine SchulabgängerInnen ohne
Abschluss. Wir unterstützen deshalb Schulformen, die längeres gemeinsames
Lernen von Schülerinnen und Schülern zum Ziel haben. Wir lehnen die Ungleichbehandlung
der verschiedenen Schulformen ab. Wir fordern die Landesregierung
auf, die Benachteiligung von Integrierten Gesamtschulen bei Neugründung
und bei der Ausstattung von Lehrerstunden zu beenden. Wir wollen
kreisweit ein gutes und zukunftsfähiges Schulangebot nach den berechtigten
Wünschen der Eltern schaffen. Dabei streben wir nach einem ausgewogenen
Ganztagsangebot mit einem gesunden Mittagessen. Im Rahmen unserer
Möglichkeiten wollen wir die Schulsozialarbeit und die Inklusion ausbauen. Eine
inklusive Gemeinschaft ist das Ziel. Dabei werden auch übergreifende Konzepte
von Jugendhilfe und offener Jugendarbeit erwartet.
Die Schulen im Sekundarbereich I und II soll der Landkreis in Trägerschaft
übernehmen. Dies erscheint sinnvoll angesichts der künftig z. T. stark rückläufigen
Schülerzahlen und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Durchsetzung
eines einheitlichen Schulentwicklungsplans für den gesamten Landkreis. Diese
Bündelung der Kompetenzen rechtfertigt sich auch aufgrund der knappen Kassen
hinsichtlich anstehender Bau- und Sanierungsmaßnahmen. Ergänzend dazu,
werden wir den ÖPNV ausbauen und optimieren. Auch für die kostenlose
Schülerbeförderung für Sek II-SchülerInnen werden wir uns einsetzen. Dies ist
ein wirkungsvoller Beitrag zur Entlastung der Eltern.
Auch die berufsbildenden Schulen müssen sich den veränderten Rahmenbedingungen
anpassen. Dadurch wird auch künftig die Qualifizierung von FachabiturientInnen
unterstützt. Gerade aufgrund des demografischen Wandels kommt
dem dualen System der beruflichen Bildung für Nachwuchskräfte des Mittelstandes
eine noch größere Bedeutung zu. Die Berufsbildenden Schulen müssen
so aufgestellt werden, dass auch SchulabgängerInnen mit Defiziten eine Ausbildungsfähigkeit
erwerben können.
Die Zukunft der beruflichen Fort- und Weiterbildung muss geklärt werden.
Weitere Schwerpunkte bilden die Zukunft der Elisabeth-Selbert-Schule, die Altenpflege-,
Krankenpflege- und Hebammenschulen im Landkreis und die
Sprachförderung.
Wir wollen außerdem den Übergang von der Schule in den Beruf für
benachteiligte Jugendliche nach besten Möglichkeiten gestalten. Dazu bedarf es
einer Überprüfung der Modelle und Projekte am Übergang zwischen Schule und
Beruf auf Qualität und Effektivität. Die Möglichkeit einer zentralen Anlaufstelle
mit Lotsenfunktion in diesem Bereich soll überprüft werden.
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1.4 Integration / Jung und Alt / Öffentlichkeit
Die Gesellschaft verändert sich auch bei uns im Landkreis. Die Menschen leben
länger, es werden weniger Kinder geboren, und der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund
steigt. In diesem Bereich wollen wir die Integrationsarbeit
als Schlüsselaufgabe fördern und einen Integrationsrat einrichten, der in die Arbeit
des Kreistages eingebunden wird.
Kinderfreundliche Kommunen sind wichtig, insbesondere für junge Familien. Nur
in den Kommunen, in denen sich junge Menschen wohl fühlen, lassen sie sich
nieder und gründen eine Familie. Wir wollen ein familien- und kinderfreundliches
Umfeld schaffen.
Einen ebenso wichtigen Faktor bilden die älteren MitbürgerInnen. Ihre Zahl wird
kontinuierlich steigen. Dieser Entwicklung müssen wir Rechnung tragen. Neben
den erforderlichen Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege sind
alternative Wohnformen zu unterstützen. Der Bedarf im Dienstleistungssektor
wird stark ansteigen. Gemeinsam mit den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden
müssen wir rechtzeitig eingreifen, um die Herausforderungen der nächsten
Jahre bewältigen zu können. Die kommunale Seniorenpolitik muss versuchen,
eine Infrastruktur der Grundversorgung aufzubauen. Wichtigste Punkte sind hier
Barrierefreiheit, altersgerechte Wohnstrukturen, der ÖPNV und die medizinische
Versorgung gerade auch im ländlichen Raum. Die Einrichtung eines Pflegestützpunktes
werden wir prüfen.
Den modernen und geänderten Einstellungen der Gesellschaft wollen wir uns
dahin öffnen, dass wir die Arbeit von Politik und Verwaltung nach außen tragen
und die BürgerInnen teilhaben lassen. Dazu planen wir die Veröffentlichung der
Anträge und Protokolle im Internet. Den BürgerInnen soll außerdem ermöglicht
werden, online Anfragen zu Sachthemen in den Ausschüssen unter dem Tagesordnungspunkt
„Bürgerfragestunde“ zu stellen. So können sich jederzeit BürgerInnen
sicher sein, dass ihre Anfrage Gehör findet und später die Antwort im
auf der Homepage des Landkreises abrufen.
Geprüft werden soll außerdem die Übertragung von kompletten Sitzungen im
Internet, die Durchführung von BürgerInnenbefragungen ab einem bestimmten
Investitionsvolumen und die Einrichtung eines Bürgerhaushaltes.
Wir halten eine Anpassung der Verwaltung an die Gegebenheiten der digitalen
Welt für notwendig und wollen dazu den Einsatz quelloffener Software prüfen
und mit der Verwaltung diskutieren.
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1.5 Energiepolitik und Klimaschutz
Die abbauwürdigen Vorräte der fossilen Energieträger und Rohstoffe gehen zur
Neige. Hier wollen wir ein Zeichen setzen und den Landkreis zum Vorbild, Förderer
und Motor für den Klimaschutz machen. Die bestehende Hamelner Erklärung
und das Klimaschutzkonzept des Landkreises sind der Orientierungsrahmen.
Es ist vorgesehen, die Planungen zur Folgenutzung am AKW Grohnde
als Erneuerbare-Energien-Gelände unterstützend zu begleiten.
Unsere Vorbildfunktion ist erforderlich, um Maßstäbe zu setzen, die zum
Nachahmen motivieren oder Verbindlichkeiten vorgeben. Kreiseigene Liegenschaften
müssen auf ihre Energieeffizienz überprüft und entsprechend den
Standards saniert werden. Dieses soll in Zusammenarbeit mit der Kreissiedlungsgesellschaft
geschehen. Wir wollen Klimaschutz als Teil des Umweltschutzes
in den Kommunen als Querschnittsaufgabe verankern. Bei allen künftigen
Planungen und im gesamten Beschaffungswesen sollen GesamtÖkobilanzen
unter Einbeziehung der Klimaaspekte erstellt werden.
Der Landkreis muss als Förderer auftreten, um die Klimaschutzagentur zwecks
Umsetzung des integrierten Klimaschutzkonzeptes dauerhaft zu etablieren. Über
das Jobcenter muss auch eine Energiesparberatung für einkommensschwache
Haushalte möglich sein. Windkraftanlagen und Biogasanlagen werden befürwortet
an den Stellen, an denen der höchste Nutzen und die geringste Belastung
für die Bevölkerung entstehen, auch über die Kreisgrenzen hinaus. Dies beinhaltet
auch die Genehmigung von Kleinwindanlagen.
Ökologische Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 21 ist Leitbild von Politik und
Verwaltung im Landkreis Hameln-Pyrmont. Die Klimaschutzagentur soll aus diesem
Grund Nachhaltigkeitsschulungen im Beschaffungs-, Bau-, Zulassungs- und
Energiemanagement des Landkreises durchführen. Wir fördern nachhaltige und
ökologische Entwicklung um den Standort Hameln-Pyrmont attraktiv zu machen
für zukunftsorientierte Unternehmer, junge Familien und Tourismus.
Der Landkreis Hameln-Pyrmont kann durch regionale Energiegewinnung Arbeitsplätze
schaffen und regionale Wertschöpfung betreiben. Dadurch erwarten wir
neben neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Handwerk, einen neuen dualen
Studiengang an der HSW(Hochschule Weserbergland) und ein allgemein
größeres Umweltbewusstsein.
Wir werden Nachhaltigkeitsindikatoren entwickeln, anhand derer der Erfolg unserer
Anstrengungen für mehr Klimaschutz und gegen Rohstoffverschwendung
überprüft werden kann.
Der Landkreis schließt sich der Kampagne „Fairtrade Towns“ an und setzt deren
Anforderungskriterien sukzessive um.
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1.6 Von der Abfallwirtschaft zur Stoffstromwirtschaft
Auch die Abfallwirtschaft ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie steht aus
diesem Grund nicht zur Disposition und bleibt kreiseigen.
Zunächst einmal geht es darum ein reales Vermeiden von Abfällen jeglicher Art
zu erreichen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist, den organischen Anteil in der
Restmülltonne zu verringern. Die Grüne Tonne muss dafür satzungsgemäß eingesetzt
werden, was einer erheblichen Ausweitung entspricht.
Die Grünschnittabfuhr wird beibehalten. Vergärbare und hölzerne Anteile sollen
getrennt werden. Die Finanzierung dieses Vorhabens soll mit dem Budget der
Kreisabfallwirtschaft geleistet werden.
Der Landkreis soll insgesamt energie- und rohstoffsparend ausgerichtet werden.
Auch die erneuerbaren Energien müssen rohstoffsparend umgesetzt werden.
Eine Begleitgruppe soll eingerichtet werden, um alle Neuerungen ausführlich
vorzubereiten und die BürgerInnen ausreichend zu informieren.
Im Zuge der Reduzierung des Verbrauchs fossiler Energien muss geprüft werden,
ob in weiteren Abfallsegmenten wertvolle und energiehaltige Rohstoffe enthalten
sind, die man durch Getrenntsammlung und/oder Nachsortierung
zurückgewinnen kann. Positive Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Bereich
sind in der Arbeit der kommenden fünf Jahre zu beachten.
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1.7 Naturschutz / Landwirtschaft und Bodenschutz
Ein besonderes Problem ist der ausufernde Kiesabbau im Wesertal. Wir kritisieren
auf Landesebene seit Jahren das einseitig, auf die Interessen der
Rohstoffindustrie, zugeschnittene Landesraumordnungsprogramm. Auf Kreisebene
werden wir auf möglichst weitgehende Natur- und Menschenverträglichkeit
bei den verschiedenen Formen des Bodenabbaus achten.
Wir setzen uns verstärkt ein für die Sicherung und den Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen, von Natur und Landschaft, Tier- und Pflanzenarten, sauberer
Luft und sauberem Wasser. Gebiete mit besonderen Tier- und Pflanzenarten
müssen erhalten bleiben und Fließgewässer in einen ökologisch guten Zustand
gebracht werden. Dem Grundwasser muss wieder mehr Beachtung geschenkt
werden, da vielerorts die Nitratwerte infolge der Intensivlandwirtschaft in den
letzten Jahren wieder angestiegen sind.
Die Gemeinden und der Landkreis haben im Bereich Natur und Landschaft erhebliche
Gestaltungsmöglichkeiten, durch die Landschaftsplanung, durch die
Ausweisung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten, durch die konsequente
Überwachung im Natur- und Gewässerschutz und durch die konsequente Anwendung
der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung: möglich sind hier
Flächenpools, Ökokonten, die Bündelung von Ausgleichsmaßnahmen und die
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Wir setzen uns für Biotopvernetzung ein
und für die umfassende Sicherung und Pflege von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten
(FFH). Lokale Naturschutzprojekte wie z.B. Acker- oder Gewässerrandstreifenprogramme
finden unsere volle Unterstützung. Eine weitere Ausdehnung von
Mais-Monokulturen wird von uns abgelehnt.
Wir setzen uns für eine, an den Interessen von VerbraucherInnen orientierte,
sozial-ökologische und wo immer möglich regionalbezogene Landwirtschaft -
auch mit Ausbau des Ökolandbaus - ein. Wir können die bäuerliche Landwirtschaft
unterstützen, indem wir z.B. das Regionalmarketing durch organisatorische
und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen fördern. Wir setzen uns dafür
ein, dass gerade für regional erzeugte Lebensmittel faire Preise gezahlt werden.
Diese allmählichen Veränderungen stabilisieren nicht nur die Einkommen der
Landwirte, sondern werden auch zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen
führen.
Wir sind für artgerechte Tierhaltung und gegen Massentierhaltung. Darum lehnen
wir die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft ab und fordern
den Stopp überdimensionierter Mastanlagen, die auch Menschen und Umwelt
schädigen. Sie gefährden die, im Weserbergland wichtigen Wirtschaftsfaktoren,
Tourismus und Gesundheit. Der Landkreis soll für die Verhinderung solcher Projekte
alle verfügbaren Mittel nutzen.
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1.8 Mobilität / ÖPNV / Verkehrsströme / Radwegesystem
Es bedarf langfristig wirkender Konzepte, um den ÖPNV zukunftsfähig zu machen.
Zielvorgabe ist es, den motorisierten Individualverkehr unter Beteiligung
von BürgerInnen, Schulen und Unternehmen zu reduzieren, eine Grundversorgung
in der öffentlichen Mobilität zu schaffen und die Akzeptanz des ÖPNV
zu erhöhen. Dabei ist auch der Fahrgastbeirat mehr als bisher einzubinden.
Überprüft werden sollen die Vorteile von gestaffelten Schulanfangszeiten zur
Entlastung der SchülerInnenbeförderung.
Erstes Ziel bleibt die kostenfreie Schülerbeförderung für die Sek II. Darüber
hinaus soll die Vertaktung auf den Hauptrouten Aerzen - Hameln, Hessisch-
Oldendorf - Hameln, Emmerthal - Hameln durch attraktivere Fahrzeiten gestärkt
werden. Auch im ländlichen Raum soll durch den Einsatz von Kleinbussen der
ÖPNV ausgebaut werden. Im Rahmen unserer Möglichkeiten soll eine Förderung
der Erprobung von alternativen Modellen wie Taxibus, Weserbahn-Kombi-Ticket
u.ä. erfolgen. Zudem sollte eine Machbarkeitsprüfung hin zu einem fahrscheinlosen
ÖPNV durchgeführt werden. Nach wie vor gehört auch die Ausweitung des
Großraum-Tarifs auf der Strecke Bad Münder bis Bad Pyrmont zu einem Anliegen
unserer Gruppe.
Wir wollen ein integriertes Tarifsystem (S-Bahn, Bus, VHP (Verkehrsgesellschaft
Hameln-Pyrmont) und Großraumbereiche mit ICE Anbindungen) für den kompletten
Landkreis weiterentwickeln.
Das bestehende Radwegebauprogramm wird geprüft und fortgeschrieben. Mit
dem Einsetzen des Fahrradbeirates wollen wir neben den Schulwegen auch die
Radwege für den Tourismus (Weserradweg) mit einbeziehen und diese an andere
Radwege anbinden. An Verkehrsknotenpunkten sollen sichere Fahrradstellplätze
installiert werden.
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1.9 Planen / Bauen / Umwelt
Wir machen uns für ein gesundes Wohnen und Arbeiten stark. Der Landkreis
wird besonders darauf achten, dass in allen kreiseigenen Gebäuden und in den
Gebäuden von Beteiligungsunternehmen stets gesunde Wohn- bzw. Arbeitsverhältnisse
herrschen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit
möglicherweise vorhandenen Innenraumschadstoffen. Wo noch nicht geschehen,
werden die zuständigen Stellen gezielt nach solchen Stoffen suchen und
die betroffenen Räume bei einer Überschreitung von Vorsorgewerten
schnellstmöglich sanieren. Eine unverzügliche Information der Betroffenen ist
selbstverständlich.
Durch immer neue Wohn- und Gewerbegebiete wird die freie Landschaft eingeengt
und unersetzbarer Boden geht verloren. Für diesen fortschreitenden
Flächenverbrauch gibt es angesichts sinkender Einwohnerzahlen künftig keine
Rechtfertigung mehr. Wir setzen auf Kooperationen zwischen den Gemeinden
und streben interkommunale Gewerbegebiete an optimalen Standorten an. Wir
wollen kommunale Programme für die Innenentwicklung und das Flächensparen
fördern. Dazu gehört ein kreisweites Baulückenkataster und Anreize für Eigentümer,
Leerstände in nutzbare Baulücken umzuwandeln.
Die energetische Sanierung aller kreiseigenen und KSG-Gebäude soll weiter
geführt werden. Damit wollen wir die Energieeffizienz bei den öffentlichen
Gebäuden steigern.
Außerdem ist die Einführung eines Solarkatasters zur effizienten Nutzung von
Dachflächen vorgesehen.
Wir werden Empfehlungen erarbeiten für weitere Biogasanlagen mit Wärmenutzung,
den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung, die Errichtung von Blockheizkraftwerken,
Stromspeichern und eine regionsspezifische öffentliche Förderung
für Gebäudesanierung im Bestand.
Die Genehmigungsverfahren bei der Ansiedelung von Unternehmen sind zu
straffen.
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2. Organisatorisches
Die Gruppe vereinbart, einen Trägerausschuss für die Schulen im Landkreis mit
allen Kommunen einzurichten.
Für die Themen Inklusion und Sprachförderung sollen Foren eingerichtet werden.
Ein Arbeitskreis wird sich mit dem Thema Geschäftsordnung befassen. Die
geänderte Geschäftsordnung wird dazu führen, dass kreisweite Beiräte an den
Ausschüssen teilnehmen können.
Um den Landkreis fortschrittlich und zukunftsorientiert aufzustellen, wird ein Arbeitskreis
„Neue Medien“ eingesetzt, welcher sich mit den Problemen und
Chancen der digitalen Welt beschäftigt.
Das Thema „Von der Abfallwirtschaft zur Stoffstromwirtschaft“ wird durch einen
Arbeitskreis begleitet.
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3. Personalia
Unter dem Motto „Mehr Dienstleistung in der Verwaltung“ werden in allen Bereichen
der Kreisverwaltung die Arbeitsabläufe auf Effizienz geprüft. Eine Reduzierung
und Vereinfachung von Verwaltungstätigkeiten und der damit verbundenen
Stellenreduzierung im Verwaltungsbereich sollen zu einer Aufstockung in den
Dienstleistungsbereichen führen. Stellennachbesetzungen in den Bereichen
Jugend und Soziales unterliegen künftig nicht mehr den politischen Entscheidungen.
Im Rahmen einer nachhaltigen und fortschrittlichen Entwicklung kommt der Umbzw.
Neustrukturierung der Verwaltung große Bedeutung zu. Mit Blick auf die
Schwerpunktthemen der Zukunft werden wir beantragen, die Stelle der Kreisrätin/
des Kreisrates wieder zu besetzen.
Hameln, den 14. Oktober 2011
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SPD-Fraktion, Ulrich Watermann MdL, Vorsitzender
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Bündnis 90/DieGrünen-Fraktion, Dr. Helmut Burdorf, Vorsitzender
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Piratenpartei, Constantin Grosch, Abgeordneter
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