Eine Ministerin kämpft gegen Verbrecher
Brandstiftung, Hass-Mails, Todesdrohung - die Grenze von der Kritik zum kriminellen Terror ist längst überschritten!
Von Ralph Lorenz
Hannover/Hameln (wbn). Die Grenze vom Protest zum Terror gegen die niedersächsische Agrarministerin Astrid Grotelüschen (CDU) ist längst überschritten. Anonyme Hass-Mails, Todesdrohungen und jetzt auch ein Brandanschlag auf den Betrieb des Ehemannes Garlich Grotelüschen im niedersächsischen Landkreis Oldenburg – wie weit ist die Protestkultur der Tierschützer und Kritiker der Intensiv-Tierhaltung schon verkommen?
Wer die Ereignisse mit klammheimlicher Freude verfolgt, weil andere für die Erfüllung der eigenen ideologischen Sichtweise das schmutzige Geschäft der Einschüchterung und Existenzvernichtung besorgen, macht sich eindeutig mitschuldig. Es geht um nicht weniger als um Brandstiftung, die den Tod von Mensch und Tier billigend in Kauf nimmt. Wer immer hinter diesen Gewaltdelikten steht – es sind Täter, die sich mit Schwerkriminellen und Mafiosi auf eine Stufe stellen. Kurzum: Brandstifter der übelsten Sorte. Auch politische. Astrid Grotelüschen hat auch im Weserbergland offen und nicht unumstritten für ihre agrarpolitische Position geworben. Und sie stellt sich der Herausforderung. Sie hat einen Anspruch darauf gehört zu werden, so wie dies für die berechtigte Kritik der Massentierhaltung gilt, die im Landkreis Holzminden immerhin dazu geführt hatte, dass Europas größte Ziegenfarm im schönen Weserbogen erfolgreich verhindert werden konnte. Auch in Bad Münder kämpfen Anwohner und Tierfreunde gegen großangelegte Stallprojekte, die ausgerechnet im Umfeld dieses um seine Attraktivität und die Besucherzahlen kämpfenden reizvollen Badeortes geplant wurden.
(Zum Bild: Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen im Dorfmuseum von Börry - hier mit dem Vorsitzenden Rolf Keller. Foto: Lorenz)
Doch die Kritiker, die gegen die intensive Anhäufung von Stallmist mit guten Argumenten angehen, produzieren auch selbst zuweilen Verbalmist mit gestreuten Desinformationen. Das Grundproblem ist die Heuchelei in unserer Konsumgesellschaft. Diätapostel favorisieren Geflügelfleisch. Supermarktketten drücken erbarmungslos die Erzeugerpreise beim Einkauf von derartigen fettarmen „Light“-Produkten, mit dem Hinweis, der Verbraucher sei nicht bereit mehr zu bezahlen. Und die Folge ist, dass Geflügelprodukte im auf Massenkonsum eingestellten Großhandel nur noch nach Tonnen berechnet werden.
Jetzt gibt es auch schon Salami mit Putenfleischanteil. Wie schön. Wer keine traditionelle Salami essen will, sollte darauf verzichten.Der Geflügelfleischberg ist ein Kunstprodukt unseres Verbraucherwahns. Hier wird eine Agrarministerin in der Öffentlichkeit dafür abgewatscht, dass sie die Konsequenzen aus diesem – auch von den Medien, vor allem den Frauenzeitschriften gesteuerten – Verbraucherverhalten offen ausspricht. Ohne Massentierhaltung ist das alles gar nicht mehr zu bewältigen. Auch bei ihren Auftritten im Weserbergland hat sie mutig kundgetan, dass die Zukunft der modernen Landwirtschaft zwangsläufig in der Intensivbewirtschaftung liegt, so lange das Verbraucherverhalten sich nicht ändert. Damit hat sie eine unbequeme Wahrheit ausgesprochen, die eine verwöhnte Verbraucherschaft aber nicht hören will.
Dieses selbstverliebte „Das gönn‘ ich mir“ und „Du darfst“-Anspruchsdenken ohne Folgegedanken ist die Wurzel dieses Zielkonfliktes, der als Schwelbrand schon seit Jahrzehnten vorhanden ist und jetzt in einer auf die Agrarministerin gezielt zugespitzten unverhohlenen Aggression offen aufflammt. Mit ihrem Familienbetrieb, einer Puten-Brüterei, entspricht sie dem Feindbild der Massentierhaltungs-Gegner.
Wie hätte es denn die niedersächsische Öffentlichkeit lieber? Will sie einen subventionierten wirtschaftsfernen Oekobauern als Vorzeigeminister, der mit seinem landwirtschaftlichen Randgruppen-Geschäftsmodell vor allem sich selbst ernährt und eine ideologische Klientel bedient? Oder will sie den Minister, der sich für die Massenverbraucher zuständig fühlt, bei denen es an der Kühltheke im Supermarkt aber gerne und stets auch zum Dumpingpreis ein bisschen mehr sein darf? Natürlich in hauchdünnen, fettarmen taillenfreundlichen Scheibchen?