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Der Kommentar zur Kommunalwahl

Wir haben verstanden! Das Wahlergebnis des Weserberglandes ist das politische Nachbeben von Fukushima

Von Ralph Lorenz

Es ist ein Irrtum zu glauben,  erst gestern am Wahlsonntag wäre im Weserbergland die Entscheidung gefallen. Der Wahlbürger im Weserbergland hat seine Entscheidung für Rot-Grün vielmehr am Tag nach Fukushima getroffen.

Und er hat sie sichtbar gemacht vor dem Kernkraftwerk in Grohnde.  Dort hatten kurz darauf die roten und grünen Banner und Wimpel  in einer Massendemo dominiert, wie sie das Weserbergland schon jahrzehntelang nicht mehr erlebt hatte.  Auch die Piraten waren sichtbar vor Anker gegangen.  Landrat Rüdiger Butte mit besorgter Miene beim Gedenkgottesdienst in der Münsterkirche zu Hameln, in der ersten Reihe auch der Landtagsabgeordnete Watermann sowie viel grüne Prominenz und vom BUND aus der Region. Das signalisierte unter dem unmittelbaren Eindruck von Fukushima nicht etwa: „Jetzt erst haben wir verstanden“, sondern: „Wir hatten schon früher gewarnt und wurden nicht gehört. Jetzt sind wir dennoch bei Euch!“ Ein starkes, ein emotionales Instinkt-Signal. Nah am Bürger.

Der Wähler hat gestern die Glaubwürdigkeits-Boni für die Gabriel-SPD und die Trittin-Grünen verteilt.  Boni sind aber ein flüchtiges Leckerli. Sie entfallen, sobald die Leistung nicht mehr stimmt.  Berechenbarkeit war mal der Sockel  für den Erfolg des Christdemokraten. Das politische Berlin der Angela Merkel steht jetzt für Unberechenbarkeit, in unheilvoller Allianz mit dem Lieblingswort dieser Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden, das heißt: Alternativlosigkeit. Das ist die eine,  die grundsätzliche Wahrheit. Hinzu kam ein CDU-Landratskandidat, der immer wieder betont hat, dass er ein Gewächs des Weserberglandes sei,  aber in Wirklichkeit auf seltsame Weise in diesem Wahlkampf nicht Wurzeln schlagen konnte.


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Dr. Stephan Walter ist vom Wähler dazu verdonnert worden weiterhin für andere die Reden schreiben zu dürfen. Was wird eigentlich aus seinem Herbie, jetzt wo er die Karre gegen die Wand gefahren hat?  Die gelben FDP-Engel sind ja auch von der Bildfläche verschwunden. Ein Zeddies, ein Fockenbrock haben die Kurve zwar gerade nochmal gekriegt.  Doch sie sind Häuptlinge der FDP, ohne Indianer. Am Marterpfahl der Umfragewerte aus Berlin. Und was die Bürgerliste im Hamelner Rat betrifft: Rieger, der alte Fallensteller, ist in die eigene Falle getreten. Die Wähler haben auch dieses zänkische Spiel im Hamelner Rat endlich durchschaut. Ein Mann, der sich selbst Programm ist und den Vertrauensvorschuss des Wählers aufgebraucht hat. Das sei als Warnung auch den anderen One-Man-Shows ins Gewissen geredet, die jetzt in das Rattenfänger-Rathaus eingezogen sind.

Mein Gott Walter. So rot-grün war das Weserbergland noch nie!

Klare Mehrheiten für Rot-Grün im Kreis Hameln-Pyrmont und im Hamelner Rathaus! So grün war das Weserbergland noch nie. Der Wahlbürger nimmt jetzt mit den stabilen Mehrheiten den Landrat beim Wort. Und verschafft  der Oberbürgermeisterin von Hameln, die gar nicht zur Wahl stand, ganz nebenbei und schon jetzt eine barrierefreie Pflaster-Zone in eine verlängerte Amtszeit. Claudio Grieses CDU, die sich in Hameln tapfer geschlagen hat, wird sich daran abarbeiten können.  Jetzt ist eine um so stärkere Opposition gefragt. Oder gelingt Griese das Kunststück einer Rochade hin zu Schwarz-Grün? Die Schmiedekinds freilich haben im Weserbergland ausgedient.  Der einst politisch frivol und sexy anmutende  Jamaika-Rhythmus Schwarz - Grün – Gelb ist vom Wähler in der Oldie-Sammlung abgelegt. Auch, weil diesem politischen Sound der Frontmann, der Popstar im Weserbergland gefehlt hat. Otto Deppmeyer hat diese exotische Kreistags-Gang angeführt wie eine Trachtengruppe. Was örtliche Pflugscharheroen eben so machen.

Nicht Körtner ist die heimliche Siegerin dieser Kreistagswahl, sondern Keller hat das Hammer-Ergebnis!

Die CDU im Weserbergland muss die jetzige Ausgangsposition nutzen um ihr Profil zu stärken. Wie das geht, das haben Coppenbrügge und Emmerthal vorgemacht.  Keller, Lohmann, Steinmann, Koch – das sind die lokalen Tower der CDU, die dem 11. September der Kommunalwahlen im Weserbergland  getrotzt haben.  Gerade in Emmerthal hätte der Fukushima-Effekt zu einem Super-Gau für die CDU ausarten müssen. Hat er nicht. Weil diese Kommunalpolitiker Stehvermögen und Glaubwürdigkeit bewiesen haben und verlässlich ein Potenzial entwickeln, das beständig in den Landkreis austrahlt. Allesamt haben sie das Macher-Image. Mit 5430 Stimmen ist die CDU unter denkbar schwierigsten Bedingungen an der Emmer stärkste Kraft geworden, gefolgt von der SPD mit 5299 Stimmen.  Damit haben beide jeweils 10 Sitze. Wenn Bürgermeister Andreas Grossmann (SPD) dennoch entspannt die lokalen Wahlergebnisse betrachtet hat, liegt das daran, dass er sich zusammen mit den drei Grünen plus eigener Stimme auf eine stattliche Mehrheit von nunmehr 14 Stimmen  stützen kann. Die Chronistenpflicht gebietet bei dieser Gelegenheit noch eine Anmerkung zu Rolf Keller.  Der versierte Kreistagspolitiker der CDU aus Emmerthal-Börry hat zur Kommunalwahl richtig den Hammer rausgeholt. Mit 2.653 Stimmen hat er die meisten Stimmen aller Kreistagskandidaten eingefahren und ist damit Wiederholungstäter. Bei der letzten Kreistagswahl waren es bereits 2.620 Stimmen.  Der Mann strahlt Besonnenheit aus und bildet sich seine eigene Meinung, die er dann auch vertritt. Der Berufsbonus kann es nicht sein. Keller ist beim Finanzamt. Die Behauptung, dass Ursula Körtner sich als heimliche Siegerin der Kreistagswahl fühlen könne, wie heute in einer Dewezet-Überschrift verbreitet, ist somit klar widerlegt. Körtner hatte 2434 Stimmen.

"Frau" ist noch kein Programm - auch deshalb hat Peschka gewonnen

Eine ruhige Hand darf dem  wiedergewählten CDU-Oberbürgermeister  Hans-Ulrich Peschka in Coppenbrügge bescheinigt werden. Diese Eigenschaft teilt er übrigens mit Landrat Rüdiger Butte. Peschka hat den Dialog mit dem Bürger verinnerlicht wie kein anderer. Schon vor Amtsantritt hatte er intensiv vor Ort die Bürgergespräche gesucht und das Image des Kümmerers gepflegt. Das hat sich jetzt erneut ausgezahlt.  63 Prozent Zustimmung! Der Mann empfiehlt sich für höhere Weihen.  Die energetischen Maßnahmen an den Coppenbrügger Bädern, die clevere Präsenz in Hannover bei der Vergabe von Fördergeldern und die weitsichtige Gestaltung der Burganlage und des Ortskerns sprechen als Leistung für sich. Das hat die gegen Peschka angetretene Bürgermeisterkandidatin Ute Fehn zu zerreden versucht und konnte dabei nur verlieren.  Sie wollte vieles, ja eigentlich alles anders machen, konnte dem Wahlbürger aber die Alternativen nicht vermitteln. Ute Fehn hat sich verheizen lassen und ist ein Opfer ihres ungestümen Ehrgeizes geworden. Ihre Stärken liegen zweifelsohne auf anderem Gebiet.  „Frau“ aufzustellen, ist noch kein Programm. Es kann sogar als frauenverachtend empfunden werden.

Mit von Wendorff wurden auch die Chancen der CDU zu Grabe getragen

Und da wäre noch die Nachbargemeinde Salzhemmendorf. Die CDU hat hier ihr ganz besonderes Debakel erlebt, was diesmal Walter ausdrücklich nicht angelastet werden kann. Mit 3.755 Stimmen ist die CDU in der Gemeinderatswahl  richtig abgewatscht worden. Die SPD hat nämlich mit 5077 Stimmen deutlich mehr erhalten. Ein CDU-Verlust von 10 Prozent gegenüber 2006. Einziger Lichtblick im Ort: In Hemmendorf konnte die CDU das Blatt zu ihren Gunsten wenden. Die Grünen liegen in Salzhemmendorf bei 1.968 Stimmen und das Ergebnis ist auch nicht so prall angesichts der Tatsache, dass der Obergrüne Schmiedekind nur über die Liste wieder in das Kommunalparlament gerutscht ist. Ist dies die Quittung dafür, dass Schmiedekind im Ort und im Kreis auf Schwarz-Grün gesetzt hat?  Doch zurück zum Katzenjammer der Salzhemmendorfer Christdemokraten. Man bedenke:  Der Lauensteiner CDU-Frontkämpfer Horst Wichmann ist jetzt als Ortsbürgermeister nicht mehr gefragt. Und das trotz Landesstraßen-Sanierung, die er durchgedrückt hat. Gerade dieses Ergebnis aus Lauenstein spricht eine klare Sprache und kann auf die anderen Ortsteile in seiner Ursache übertragen werden: Die CDU hat ein gehöriges Personalproblem.

Der ewige Ortsbürgermeister ist vom Thron gestoßen

Horst Wichmann, 15 Jahre lang Ortsbürgermeister in Lauenstein, ist lieb und nett, aber schon über 70 Jahre alt. Nicht Fukushima ist das CDU-Problem in dem Flecken am Kanstein sondern die Erblast von Jobst von Wendorff, der einst als CDU-Fraktionschef und heimlicher Gemeindebürgermeister  alle Fäden in der Hand gehalten hatte und niemanden neben sich emporkommen ließ. Er hat es vorsätzlich versäumt rechtzeitig eine neue Garde aufzubauen, die Verantwortung übernehmen kann. Teile und herrsche – dieses Prinzip war der kommunalpolitischen Legende von Wendorff auf Orts- und Kreisebene fremd. Nach seinem Tod hinterließ der pfiffige Advokat und Notar die berühmt-berüchtigte Lücke.

Nutznießer dieser Situation ist dann etwa ein Udo Stenger, der nach einer Zitterpartie in letzter Minute wieder am Katzentisch Platz nehmen darf. Der ehemalige Verwaltungsdirektor darf weiterhin seine Rumpelstilzchenrolle spielen und hält die ganze Truppe in Schwung mit Anträgen, wie die Nachbargemeinden Coppenbrügge und Salzhemmendorf zusammenzulegen. Davor wird sich ein CDU-Gemeindeverbandsvorsitzender wie Thorsten Kellner mehr denn je hüten angesichts  der gelichteten Bestände der Christdemokraten in Salzhemmendorf.  Salzhemmendorf könnte zwar die Kompetenz eines Hauptverwaltungsbeamten wie Peschka gut gebrauchen, aber Kellner  wäre dann mitsamt seinen CDU-Getreuen bald abserviert. Denn alleiniger Nutznießer wäre die SPD in Salzhemmendorf und Coppenbrügge.

Die Aktiven Bürger sind eingezogen, weil die Kommunalpolitik zu passiv war

Mit Sicherheit hätte von Wendorff nicht die aus dem  Ruder geratene Diskussion um die Schulstandorte in Salzhemmendorf zugelassen, die den Aktiven Bürgern zu vier Sitzen im Gemeinderat verholfen hat. Auf Anhieb wurden sie damit zur drittstärksten Fraktion noch vor den Grünen. Ein Schulbeispiel des Bürgerwillens!  Erika Rasch, Bettina Wallbaum, Jens Kottlarz, Thomas Hampe – das sind Namen, die man künftig aus den Reihen der Aktiven Bürger öfters hören wird. Simple Botschaft: Wo die etablierten Parteien versagen, werden die Bürger aktiv, die sich nicht mehr vertreten sehen.

Und zum Schluß eine Pointe, die einfach zu skurril ist, als dass sie nicht zu erwähnen wäre: In Bad Münder hat die SPD wieder souverän gewonnen – aber die eigene Bürgermeisterin verloren. Weil die nämlich ebenfalls für die SPD gewonnen hat. Bad Münders Bürgermeisterin Silvia Nieber ist die neue Bürgermeisterin in Stade. Damit hat Nieber erneut richtig Karriere gemacht.  Jetzt müssen die Wähler in Bad Münder gleich nochmal ran. Sie haben keine andere Wahl.

 

 

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