Helmut Kohl ist tot: Er war der Kanzler der Deutschen Einheit
Von Ralph Lorenz
Ludwigshafen (wbn). Der Kanzler der Deutschen Einheit ist in seinem Haus in Ludwigshafen im Alter von 87 Jahren gestorben.
Dies haben heute am späten Nachmittag die Presseagenturen ohne Angaben zu den näheren Todesumständen als Eilmeldung mitgeteilt. Er und sein sowjetischer Gegenspieler Gorbatschow hatten nach dem Fall der Mauer die Wiedervereinigung und den Abzug der sowjetischen Besatzungsmacht aus Ostdeutschland ausgehandelt. Während andere Innenpolitiker von "deutsch-deutschen" Verhältnissen sprachen und eine Wiedervereinigung als ferne unrealistische Utopie kleinredeten, so als gäbe es für immer zwei "Deutschlands", ging er im Schulterschluss mit Vertriebenenverbänden immer von dem geteilten Deutschland und der einen Nation aus. Er hat stets an die Wiedervereinigung geglaubt und die historische Chance, die sich mit der Glasnost-Politik von Gorbatschow ergeben hatte, als einmalige Gelegenheit begriffen und die Gunst der Stunde genutzt.
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Kohl war es auch, der das "Mädle'" namens Merkel in sein Kabinett holte und sich wohl selbst nicht vorstellen konnte, dass die junge, noch unerfahrene Umweltministerin aus "Meck-Pomm" ihn einmal im Zuge der CDU-Parteispenden-Affäre beerben würde. Jetzt ist sie nahezu so lange an der Spitze im Kanzleramt wie der Saumagen-Liebhaber Kohl aus der Pfalz, den die Karikaturisten gerne als "Birne" überzeichneten. Seinen innerparteilichen Unions-Widersacher und Begleiter vieler holpriger Wald- und Wiesenwanderungen Franz-Joseph Strauß (CSU) hat er um viele Jahre überlebt. Um Helmut Kohl war es zuletzt still geworden.
Mit großer Bestürzung hat der Landesvorstand der CDU in Niedersachsen in seiner heutigen Sitzung vom Tod Helmut Kohls erfahren. Landesvorsitzender Bernd Althusmann: " Helmut Kohl ist der Kanzler der Einheit. Die Wiedervereinigung Deutschlands und die Integration der Europäischen Union werden für immer mit seinem Namen verbunden sein. Helmut Kohl hat sich um unser Vaterland und Europa unschätzbar verdient gemacht. Als Vorsitzender der CDU Deutschlands von 1973 bis 1998 hat er über ein Vierteljahrhundert die erfolgreichste Volkspartei Europas geführt und geprägt. Viele Menschen sind seinetwegen in die CDU eingetreten, dazu gehöre auch ich persönlich. Die CDU in Niedersachsen wird Helmut Kohl stets in ehrender Erinnerung behalten. Wir trauern mit seinen Angehörigen.“
Zum Tode von Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl erklärt der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und Präsident des Europäischen Parlaments a.D., Hans-Gert Pöttering:
„Ein herausragender deutscher Staatsmann und großer Europäer ist von uns gegangen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung trauert um Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl, den Kanzler der Deutschen Einheit und Ehrenbürger Europas.
Seine christliche Prägung und die Erfahrungen seiner Jugend waren für Helmut Kohl politischer Auftrag: Am 3. April 1930 in Ludwigshafen geboren, bekam er bereits als Jugendlicher die Auswirkungen von Krieg, Diktatur und Nationalismus zu spüren. Zu den Wurzeln seiner Politik gehörte stets die Überzeugung, nur ein Miteinander der europäischen Völker könne neue Gegensätze und Feindschaften abwenden. Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, als Bundeskanzler und als Vorsitzender der CDU Deutschlands prägte er die deutsche Politik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Schwerpunkt der Regierungspolitik von Bundeskanzler Helmut Kohl war es, dem Prozess der europäischen Einigung neuen Schwung zu geben und ein verlässlicher Partner für die Nachbarländer zu sein. Das Schengener Abkommen, der gemeinsame Binnenmarkt, die Öffnung der Union für die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas und der Vertrag von Maastricht gehören zum politischen Lebenswerk von Helmut Kohl. Die höchste europäische Auszeichnung wurde Helmut Kohl am 11. Dezember 1998 zuteil: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ernannten ihn zum „Ehrenbürger Europas", eine Ehrung, die zuvor nur Jean Monnet erlangt hatte.
1989 schlug Helmut Kohls historische Stunde. Der Bundeskanzler ergriff die Chance, die deutsche Einheit in Freiheit zu vollenden - ganz in der Linie Konrad Adenauers. Stets hatte Helmut Kohl die deutsche Frage offengehalten, sich nicht mit der Zweistaatlichkeit abgefunden und die Präambel des Grundgesetzes als Auftrag begriffen.
Das Gelingen der deutschen Wiedervereinigung bleibt für immer mit seiner staatsmännischen Klugheit verbunden und mit dem persönlichen Vertrauenskapital, das er in Europa und der Welt erworben hatte.
Helmut Kohl hat sich stets leidenschaftlich für die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung engagiert, er gehörte jahrzehntelang dem Vorstand an. Wir empfinden große Dankbarkeit dafür. Unsere Gedanken und Gebete sind bei Helmut Kohl, seiner Frau und seiner Familie.“