Bei Hessisch Oldendorf wird der Wald wilder:
Jetzt bekommt das Weserbergland einen Urwald - wird auch der Niedersachsen-Wolf dort einziehen?
Dienstag 3. Oktober 2017 - Hessisch Oldendorf / Hannover (wbn). Der Wald wird wilder in Niedersachsen. Auf insgesamt 33.000 Hektar und damit 10 Prozent der Landeswald-Fläche in Niedersachsen wird es künftig keine Pflegemaßnahmen und keine sogenannte „Holzernte“ mehr geben, so dass sich nach und nach Naturwälder entwickeln können.
So hatte es kürzlich die Landesregierung in Hannover beschlossen. Die größte zusammenhängende Naturwald-Fläche außerhalb des Nationalparks Harz wird mit rund 1.300 Hektar im Süntel entstehen, somit auch von der Größe her ein echtes „Wildnisgebiet“. Und vielleicht versteht der Niedersachsen-Wolf dies auch als Einladung im Weserbergland.
Fortsetzung von Seite 1Niedersachsens Forstminister Christian Meyer und Umweltminister Stefan Wenzel machten sich heute im Forstamt Oldendorf selbst ein Bild von den Naturwaldflächen, die nun im Zuge des Landesprogramms zur Natürlichen Waldentwicklung (NWE-10) erweitert werden. Begleitet wurden sie von Klaus Merker, dem Präsidenten der Niedersächsischen Landesforsten (NLF), sowie Ricky Stankewitz vom Landesvorstand des Naturschutz-Bundes (NABU).
„Wir erhöhen in den alten und neuen Naturwaldflächen entscheidend die Artenvielfalt. Profitieren werden also die vielen im Wald beheimateten, teils sehr selten Tier- und Pflanzenarten, denen wir jetzt mehr Lebensraum geben. Zugleich bildet diese Vielfalt wichtige genetische Ressourcen für die Zukunft“, sagte Forstminister Christian Meyer beim gemeinsamen Waldspaziergang. Niedersachsen als eines der Vorreiterländer leiste mit zehn Prozent Wildnis beim Landeswald einen wichtigen Beitrag zur „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ (NBS). Diese hat zum Ziel, deutschlandweit fünf Prozent des gesamten Waldes stillzulegen. „Die jetzt beschlossene Gebietskulisse ist ein Meilenstein für den Naturschutz, die Landesforsten sind damit Vorbild auch für andere Waldbesitzer“, so Meyer.
Nachdem im Jahr 2013 nur rund fünf Prozent des Landeswaldes ungenutzt waren, wurden bis 2015 durch ein erstes Auswahlverfahren bereits über acht Prozent der Fläche als Naturwald ausgewiesen. Auch Bürgerinnen und Bürger konnten Vorschläge für mögliche Naturwaldflächen im Landeswald machen. Mit zusätzlichen 45 Waldgebieten in 25 Landkreisen wurde die NWE-Fläche nun um 5.150 Hektar erweitert und damit die Lücke bis auf 10 Prozent geschlossen. Rund 2.800 Hektar der Flächenkulisse liegen im Nationalpark Harz, etwa 2.650 Hektar außerhalb des Harzes. Naturnahe Laubholzbestände, vor allem mit Buche, sind anteilig am stärksten vertreten.
„Mit der Schaffung von Naturwäldern kommen wir dem Ziel, den Wald als Zentrum der natürlichen Arten- und Lebensvielfalt dauerhaft zu schützen, wieder ein Stück näher“, sagte Umweltminister Stefan Wenzel. „Bäume reinigen die Luft, spenden Schatten, regulieren den Wasserhaushalt – und sind die entscheidenden Klimaschützer in unserer Natur. Mensch und Tier und die fruchtbaren Böden – alles lebt von gesunden Bäumen, von der Vielfalt und vom Erhalt unserer Baumbestände. Der Zustand der Umwelt und die Bedrohung vieler Arten zeigt aber auch, dass es noch ein langer Weg ist.“
Den Großteil der NWE-Flächen hat die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie den Niedersächsischen Landesforsten zusammengestellt. Dabei spielten etwa die vorhandenen Baumarten, die Biotopvernetzung, der Totholzanteil, aber auch das Bestandsalter eine wichtige Rolle. Neben der Ausweisung großer Flächen sind auch so genannte „Biologische Hotspots“ – also biologisch vielfältige, aber gefährdete Gebiete – berücksichtigt worden.
Auf den nun ausgewiesenen Flächen verzichten die Landesforsten spätestens ab 2020 auf alle Pflege- und Erntemaßnahmen und damit auch auf durch sie erzielbare Einnahmen. „Wir sehen auch Wälder ohne Holznutzung als Teil einer multifunktionalen Forstwirtschaft an, die ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Ziele verbindet. Deshalb gibt es auch schon seit langem ungenutzte Naturwälder in den Landesforsten“, sagte der Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, Dr. Klaus Merker.
Neben dem Lückenschluss bei „NWE-10“ hatte die Landesregierung kürzlich auch die Weiterentwicklung des Landesprogramms „Langfristige Ökologische Waldentwicklung in den Niedersächsischen Landesforsten“ (LÖWE) beschlossen. „Nach über einem Vierteljahrhundert wurden die 13 waldbaulichen Grundsätze des LÖWE-Programms, das auch international Vorbildcharakter angenommen hat, nun aktualisiert und fortgeschrieben“, sagte Forstminister Meyer. Das Programm „Löwe+" berücksichtige auch neue Erkenntnisse über den Klimawandel, den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Boden- und Naturschutz.
„Der weitere Umbau des Landeswaldes in artenreiche, klimaschützende Mischwälder wird damit forciert“, sagte NLF-Präsident Merker. In Zukunft werde ein Anteil für Laubbäume von 65 Prozent angestrebt. „Dass das Ergebnis bei LÖWE+ insbesondere auch von den Förstern der Landesforsten getragen wird, ist für die Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit der letzten 25 Jahre mit LÖWE wichtig. Nur so ist uns eine kontinuierliche Entwicklung möglich.“
Und auch für den Privatwald hatte Forstminister Meyer am Dienstag noch eine gute Nachricht parat. Denn das Land Niedersachsen fördert künftig auch das umweltverträgliche Rücken von Rundholz mit Pferden. „Im Gegensatz zu Maschinen, die zeitweise witterungsbedingt ihre Arbeit einstellen müssen, ist das Rücken mit Pferden fast ganzjährig möglich“, sagte Meyer.
Bei problematischen Bodenverhältnissen sei die Arbeit mit Rückepferden oftmals pfleglicher für Baumbestand und Waldboden. „Pferde-Rückeunternehmen soll es damit ermöglicht werden, ihre Leistungen zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten“, so Meyer.