Der Kommentar
Trabi oder BMW? Warum Andrea Nahles ihren kleinen Kevin endlich mal aufklären muss
Von Ralph Lorenz
Kevin Kühnert ist gerade dabei die LINKE links zu überholen.
In einem „Zeit“-Interview verließ er dazu die Leitplanken der Grundordnung unserer sozialen Marktwirtschaft aus Ludwig Erhards Wirtschaftswunder-Zeiten und steigert sich allgemein wie im Fieberwahn in Enteignungsphantasien, träumt sogar von „demokratischen Sozialismus“. Spricht von Kollektiven. Als hätte es den Wahnsinn der unwirtschaftlichen DDR-"Kollektive" nie gegeben. Er will nicht nur Wohnungsunternehmen enteignen sondern auch BMW. Ja, hat er gesagt. Zitat: „Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW staatlicher Automobilbetrieb' steht oder ‚genossenschaftlicher Automobilbetrieb‘ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht.“
Kühnert, man glaubt es kaum, ist Bundesvorsitzender der Jusos – und die gelten immer noch als Jugendorganisation der SPD. Jetzt hat Frau Nahles als SPD-Power-Frau noch ein Problem, so kurz vor den Wahlen.
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Denn sie muss den jungen Mann Kevin erstmal in seiner polit-pubertären Phase aufklären. Kühnert stammt aus einem Beamtenhaushalt in Berlin. Wurde wenige Monate vor dem „Fall der Mauer“ geboren und lag da gerade in den Windeln als das Arbeiterparadies DDR, „auferstanden aus Ruinen“ – so die einstige Becher-Hymne – selbst zur Ruine wurde weil es sich unter SED-Kommando gnadenlos in den volkswirtschaftlichen Abgrund manövriert hatte.
Er kann also gar nicht wissen, wie das damals war, der kleine Kevin. Er muss unbedingt auch mildernde Umstände bekommen, ist er doch in einem Berliner Beamtenhaushalt aufgewachsen. Und da hat man offenbar lieber über die schönen Dinge im Leben gesprochen. Das wirkliche Leben hat der kleine Kevin erstmal nicht so richtig kennen gelernt. Weder als unvollendeter Publizistik-Student noch als Callcenter-Mitarbeiter. Nebenbei: Callcenter sind mindestens genauso beliebt wie das SED-Politbüro. Jeder kann ein Lied von diesen anonymen Herrschaften singen, die als Brand- und Klagemauer vieler Unternehmen und Institutionen eingesetzt werden und beim kleinen Bittsteller stets ein Gefühl der wutbebenden Ohnmacht hinterlassen. So war das auch damals hinterm Eisernen Vorhang.
Ohne dem kleinen Kevin zu nahe treten zu wollen kann man doch feststellen, dass er noch nichts so richtig gelernt hat. Außer das Reden in einem Callcenter, was ihm dann auch bei den Jusos zugute gekommen ist. Leute, die auf alles sekundenschnell 'ne Antwort haben sind dort die großen Bringer.
Aber jetzt mal im Ernst. Andrea Nahles sollte ihrem Nachwuchs schonend beibringen, dass es all das, was er nun fordert, schon einmal gegeben hat. Das nannte sich dann „real existierender Sozialismus“. Und es gab schon mal eine Automobilfabrik in Volkes Hand auf deutschem Boden. Die hat in Zwickau Trabis gebaut. Also solche Presspappen-Plastikbomber, die nach der reinen Lehre des „demokratischen Sozialismus“ von den ölverschmierten sich selbst ausbeutenden Werktätigen zusammengeschraubt und geklebt wurden. Wer so ein Ding wollte im Osten, musste die Bestellung praktisch schon bei seiner Geburt aufgeben. Damit er sie bei guter Führung dann im Rentenalter ausgeliefert bekam. Nicht wenige Volksgenossen sind aber unter Einsatz ihres Lebens vorher geflohen weil sie dieses Paradies des demokratischen Sozialismus und der leninistisch-marxistischen katalysatorfreien Automobilbaukunst nicht mehr ausgehalten haben.
Sie haben also nicht den Kapitalismus überwunden, wie von unserem kleinen Kevin gefordert, sondern die Mauer. Als Preis im Westen winkte ihnen dann ein 3er BMW mit Fünfganggetriebe, Drehzahlmesser und Breitreifen. Ein Luxus-Fahrzeug aus DDR-Proletarier-Perspektive, das der kleine Mann sogar direkt im Laden kaufen und dann auch noch volltanken lassen konnte. Dafür bekam er sogar zu ordentlichen Konditionen einen Kredit von den nicht verstaatlichten West-Banken.
Ja, das sollte Andrea dem kleinen Kevin aus dem Berliner Beamtenhaushalt alles aus der Zeit des von ihm so herbeigesehnten „demokratischen Sozialismus“ auf deutschen Boden verraten.
Doch geiler noch. Juso-Kevin soll doch die Malocher selbst entscheiden lassen. Er könnte sich BMW-mässig selbst ein Bild machen. In der Höhle des Löwen in München. Mit der robusten Andrea Nahles als Geleitschutz. Er könnte vor einer BMW-Belegschaftsversammlung mit Tausenden Lohnabhängigen ans Rednerpult treten und die ausgebeuteten Werktätigen ganz offen fragen, im Stile der direkten Ma-O-Am Demokratie: Was wollt ihr denn? Wollt ihr lieber Trabis bauen - oder BMW?
Das lässt sich natürlich auch bei Mercedes in Untertürkheim wiederholen oder bei Porsche in Weissach. Oder in Wolfsburg.
Der kleine Kevin muss nur aufpassen, dass ihm nicht die Schraubenschlüssel um die Ohren fliegen. Das ist nämlich der Unterschied zum anonymen Callcenter, wo er es drei Jahre in der Deckung der Anonymität ausgehalten hat. Da wird einfach das Gespräch beendet.