Gefahr für Vögel, Insekten und Fledermäuse
Stehen im Weserbergland bald zeitweilig die Windräder still?
Von Frank W e b e r
Hannover (wbn). Die Windenergie boomt. Saubere, ressourcen- schonende und natürliche Energie. Fast 1 000 Windkraftanlagen stehen im Land in sogenannten Windparks und schrauben durch den Atem der Natur beharrlich Strom herbei. Doch nun gerät das ganze System auf Kollisionskurs mit dem Tierschutz.
Nach Meinung einiger Umweltschützer nämlich stellen Windkraftanlagen eine zunehmende Gefahr für das Leben von Vögeln, Insekten und Fledermäusen dar, die mit den gewaltigen Rotorblättern kollidieren und dadurch getötet werden. Sie fordern deshalb die Abschaltung der Windräder zu bestimmten Zeiten. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) reagiert jetzt auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Abgeordneten Gero Hocker und Stefan Birkner. So prüft sein Ministerium derzeit unter anderem, ob Windenergieanlagen „in Einzelfällen“ zum Schutz der Tiere vorübergehend abgeschaltet werden können. Im Wendland wird diese „intelligente Abschaltung“ nach Angaben des Ministeriums schon praktiziert – ist es also möglich, dass bald auch im Weserbergland die Windräder aus Tierschutzgründen vorübergehend angehalten werden?
(Zum Bild: Vogelschwarm vor Windradkulisse. Können die Räder zeitweilig abgestellt werden, etwa wenn die Vogelschwärme aus den Winterquartieren zurückkehren? Foto: Weber)
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Landesweit sind derzeit rund 900 Windkraftanlagen in Betrieb. Nach Statistiken der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg gab es im vergangenen Jahr in Niedersachsen 234 gemeldete „Vogelverluste an Windenergieanlagen“, außerdem wurde von 214 getöteten Fledermäusen berichtet. Bei den Vögeln konzentriert sich der Großteil der protokollierten 48 Arten auf die Stockente, die Lachmöwe, den Mäusebussard und den Rotmilan. Bei den Fledermäusen ist am häufigsten der Große Abendsegler betroffen.
Doch die Dunkelziffer liegt vermutlich noch weitaus höher: In der sogenannten Schlagopferdatei werden nur „Zufallsfunde“ geführt. Laut Ministerium sind diese Zahlen nur ein Bruchteil der durch Windenergieanlagen getöteten Tiere. Insbesondere durch das „technisch schwierige“ Auffinden und die zügige Beseitigung der Kadaver durch andere aasfressende Tiere seien verlässliche Zahlen nicht bestimmbar.
Die Problematik ist indes auch im Weserbergland bekannt. Schon vor einiger Zeit hatte die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Hameln-Pyrmont beim Genehmigungsverfahren mehrerer Windrad-Neubauten auf dem Ruhbrink in Coppenbrügge technische Maßnahmen für eine temporäre Stilllegung gefordert. Dagegen hatte allerdings der Betreiber geklagt und im November 2012 vorm Verwaltungsgericht in Hannover Recht bekommen. Behördenleiter Rainer Halbauer bezeichnete das Urteil als „Schock“ und will deshalb die Sache mit der Windenergie jetzt etwas lockerer angehen. Davon, dass wegen der Kollisionsgefahr temporär Windräder stillstehen, sei der Kreis Hameln-Pyrmont jedenfalls „sehr weit entfernt“.
Gleichwohl habe er die Thematik im Blick – wenn es bis dato auch keinerlei Zahlen über verunglückte Vögel oder Fledermäuse gibt. Bekanntgeworden sei einzig der Fall, bei dem vor wenigen Jahren ein Rotmilan nachweislich mit einem Rotorblatt kollidert und getötet worden war. Doch Halbauer gibt grundsätzlich Entwarnung. Die Windenergieanlagen im Kreis sind demnach in Bereichen aufgestellt, in denen die Kollisionsgefahr „relativ niedrig“ ist.
Dass das Kollisionsrisiko zwischen unterschiedlichen Windpark-Standorten „sehr stark“ variiert, bestätigen auch entsprechende Studien. Die mögliche zeitweilige Abschaltung ist also vom Einzelfall abhängig und konzentriert sich dann auch nur auf einen sehr kleinen Teil der insgesamt 900 Anlagen. Ob eine Abschaltung sinnvoll ist, macht das Ministerium davon abhängig, ob es in den fraglichen Bereichen ein erhöhtes Risiko für „Gastvögel“ auf der Durchreise gibt oder Fledermäuse dort ihr Jagdrevier haben.
Eine mögliche Verschlechterung der Versorgungssicherheit durch die Maßnahmen sei unterdessen nicht zu befürchten, so Umweltminister Wenzel. Die Windertragseinbußen seien moderat, die Abschaltungen gut prognostizierbar und die Zahl der betroffenen Anlagen eben gering.