Das Dokument im Wortlaut
Zehn Schulleiter starten gemeinsamen Vorstoß - Hilferuf an die Politik im Weserbergland
Hameln (wbn). Nicht nur über finanzielle Grundlagen sprechen – auch die Inhalte im Auge behalten. Auf diese Formel läuft ein bemerkenswerter Appell hinaus, den die Schulleitungen von zehn weiterführenden Schulen aus Hameln und Bad Pyrmont in einem offenen Brief formuliert haben.
In seiner Geschlossenheit ist dies ein bemerkenswerter Schritt im Weserbergland und gleicht einem Hilferuf, die Debatte zu versachlichen und die Zukunft der Region Weserbergland im Auge zu behalten. Die Weserbergland-Nachrichten.de dokumentieren dieses Gemeinschafts-Schreiben nachfolgend im Wortlaut:
Fortsetzung von Seite 1
"Ein isoliertes Herausbrechen einzelner Schulen ... ist nicht zielführend"
„Mit der Initiative des neuen Landrates Tjark Bartels ist in den zurückliegenden Wochen und
Tagen die immer wieder aufkommende Schulträgerdebatte in neuer Weise angestoßen
worden. Augenscheinlich hat dabei die Frage der Finanzierung von schulischen
Großprojekten in Bad Pyrmont und Hameln auf der Ebene des Landkreises diese Debatte
ausgelöst und erst in zweiter Linie die inhaltsbezogene, konzeptionelle Perspektivdebatte
über die Schullandschaft im Landkreis Hameln-Pyrmont und den Kommunen Bad Pyrmont
und Hameln. Entsprechend unterschiedlich fallen die Reaktionen auf den Anstoß von Herrn
Bartels aus, zwischen öffentlich forcierter Zustimmung und entschiedener Ablehnung
finden sich unterschiedliche Schattierungen, entwickeln Personen und Fraktionen
tendenziell klare, isolierte oder noch unausgeschärfte Ansichten („ergebnisoffener
Dialog“), wie die Schulträgerschaft in der Region künftig aussehen soll.
Im Zuge vielfältiger Gespräche und Beratungen hat sich herauskristallisiert, dass eine
gemeinsam entwickelte Positionierung der Schulleitungen der weiterführenden Schulen in
Bad Pyrmont und Hameln sinnvoll und zum jetzigen Zeitpunkt auch notwendig ist.
Einerseits um die ausgelöste Debatte auf die inhaltlich-konzeptionelle Ebene mit dem
Vorrang einer Schulentwicklungsplanung zurückzuführen und andererseits zugleich das
Signal zu geben, dass die Schulleitungen diese Debatte aus der gegebenen Verantwortung
für die Belange der Schule mit Entschiedenheit begleiten wollen und werden.
Als gemeinsame Sichtweise der Leitungen der weiterführenden Schulen in Hameln und Bad
Pyrmont formulieren wir dabei folgende Punkte, um deren Berücksichtigung wir aus der
Verantwortung für die Menschen und Systeme der von uns geleiteten Schulen bitten.
Über Jahrzehnte haben die Schulträger Bad Pyrmont und Hameln nach besten Kräften und
stets aufgeschlossen für die Anforderungen einer sich permanent ändernden
Schullandschaft ihre Aufgaben wahrgenommen; dies schätzen wir Wert und dafür sind wir
dankbar. Angesichts der zentralen Herausforderungen für die Weiterentwicklung und
Umstrukturierung der Bildungslandschaft im Landkreis, die mit den Mega-Themen
demographischer Wandel, Inklusion, Ganztagsbildung und Finanzsituation der Kommunen
verbunden sind, stellt sich allerdings die Frage, ob die enormen Kraftanstrengungen in den
kommenden Jahren noch über die Aufteilung auf drei Schulträger gewährleistet werden
können.
Daher begrüßen wir die Aufnahme von Gesprächen zwischen den Städten Bad
Pyrmont und Hameln und dem Landkreis Hameln-Pyrmont zur Klärung der
Schulträgerschaft mit dem Ziel der gemeinsam getragenen Verantwortung. Damit das
angestrebte und von uns unterstützte Ziel einer für die Region zukunftsweisenden Regelung
der Schulträgerschaft jedoch erreicht werden kann, bedarf es aus unserer Sicht, Erfahrung
und Verantwortung unbedingt der Berücksichtigung folgender Aspekte:
- gemeinsam entwickelte und abgestimmte Schulentwicklungsplanung als
zwingende Grundlage
Eine Entscheidung über die Schulträgerschaft bedarf zwingend einer vorherigen,
zeitlich, konzeptionell und kommunikativ abgestimmten Schulentwicklungsplanung
unter Beteiligung der Leitungen der weiterführenden Schulen der Kommunen Bad
Pyrmont und Hameln wie auch des Landkreises (besonders bezüglich der anderen
Standorte weiterführender Schulen in Bad Münder, Salzhemmendorf, Hess.
Oldendorf).
- langfristig ausgerichtete Schulstruktur als Ziel
Ein isoliertes Herausbrechen einzelner Schulen oder Schulzentren aus der bisherigen
Schulträgerschaft aufgrund der aktuellen Debatte um die Finanzierung von
Schulbauprojekten ist ohne eine vorab vorzunehmende, klärende und
richtungweisende Perspektivdebatte nicht zielführend - bei aller Notwendigkeit, die
Finanzen in den Blick zu nehmen.
- Orientierung am Elternwillen
Eine Schulentwicklungsplanung muss vor den Finanzierungsfragen eine für alle
transparente Positionierung unter Berücksichtigung des demographischen Wandels
vornehmen, an welchen Standorten künftig, d.h. langfristig, welche Schulformen
vorgehalten werden können bzw. sollen, wie Schülerströme unter Respektierung
des Elternwillens künftig zu erwarten sind und wie bestmögliche Voraussetzungen
für erfolgreiche Bildungsarbeit an diesen Standorten gegeben sein können.
- Inklusion als künftige Schwerpunktaufgabe in der Bildungsregion
Hameln/Pyrmont
Schulentwicklungsplanung hat insbesondere Antwort zu geben auf die
Herausforderungen, die sich mit der Umsetzung der Inklusion als umfassender
bildungspolitischer Aufgabe verbinden und die aus der Weiterentwicklung der
Ganztagsbildung resultieren. Eine solche Betrachtung und Entwicklung ist in
wenigen Monaten nicht zu gewährleisten, zumal sie eingebunden werden muss in
die Entwicklungslinien einer anzustrebenden Bildungsregion, die Schule nicht
isoliert sondern in komplexen Zusammenhängen verantworteter Bildungspolitik in
der Region sieht.
- Orientierung an der Schulqualität
Schließlich darf nach unserer Überzeugung aus der Verantwortung für
unterschiedliche Schulformen und –größen die mögliche Neuregelung der
Schulträgerschaft nicht zu einer ideologisch gefärbten Debatte um vermeintlich
bessere Schulformen führen. Die Frage einer künftigen Schullandschaft muss sich
vielmehr an Qualität, Vielfalt, Profilen und dem nachhaltigen Engagement der
einzelnen Schulen wie Kommunen für ihren jeweiligen Standort messen lassen.
Dabei sind strukturelle Aspekte mitzudenken, sie dürfen aber nicht ausschlaggebend
sein, wenn es um nachgewiesene und nachweisbare qualitative Maßstäbe von
Bildungsangeboten geht.
Am Ende einer solchen Debatte wird sich die künftige Schulträgerschaft folgerichtig
abzeichnen. Wir würden eine entsprechende Entscheidung jenseits parteipolitischer
Spezifika konstruktiv begleiten.
Letztlich wird es bei einer vorausschauenden Schulpolitik auch um das Entwirren von
ideologischen Kontroversen bei der Frage der besseren Schulstruktur oder -formen und um
ein Aufbrechen des Beharrens auf tradierten Mustern gehen.
Den Leitungen der weiterführenden Schulen in Bad Pyrmont und Hameln liegt, ebenso wie
allen Kolleginnen und Kollegen der anderen Schulformen in unserer Region, das Wohl der
uns anvertrauten jungen Menschen am Herzen. Für sie bestmögliche Angebote vorzuhalten
ist unser Bestreben. Das unterstreichen die vielfachen, sehr erfolgreichen
Schulentwicklungslinien der zurückliegenden Jahre. Über die ausgesprochen konstruktive,
in den zurückliegenden Jahren nachhaltig gewachsene Zusammenarbeit haben die
Schulleitungen aller Schulformen bereits Akzente einer gemeinsamen Schullandschaft im
Landkreis entwickelt und gelebt. Daher fordern wir Verantwortliche in Politik und
Verwaltung der Kommunen und des Landkreises auf, unmittelbar einen konstruktiven und
zielführenden Dialog zur Regelung einer zukunftsweisenden Schulträgerschaft
aufzunehmen.
Eine solche Schulentwicklungsplanung benötigt allerdings wie oben schon erwähnt Zeit für
eine umfassende, gemeinsam verantwortete und zukunftsweisende Lösung. Dies lässt sich
nicht in wenigen Monaten realisieren.
Wir wünschen uns und erwarten zugleich, dass die Leitungen der weiterführenden Schulen
in diese Debatte eingebunden werden.
Bad Pyrmont / Hameln, den 11.02.2014
gez. Hartwig Henke, Herderschule Bad Pyrmont
gez. Claudia Herrmann, Humboldt-Gymnasium Bad Pyrmont
gez. Andreas Jungnitz, Schiller-Gymnasium Hameln
gez. Gudrun Kruppe, Sertürner-Realschule /IGS Hameln
gez. Werner Schmidt, Wilhelm-Raabe-Schule Hameln
gez. Ingeburg Schröder, Theodor-Heuss-Realschule Hameln
gez. Rainer Starke, Viktoria-Luise-Gymnasium Hameln
gez. Wolfgang Weber, Albert-Einstein-Gymnasium Hameln
gez. Barbara Wendeln-Henke, Max-Born-Realschule Bad Pyrmont
gez. Uwe Wilhelms-Feuerhake, Pestalozzischule Hameln“