"Ein Anschlag auf ein Gotteshaus ist immer ein unerträglicher Angriff"
Ministerpräsident Weil zeigt sich in der Synagoge von Oldenburg über den Brandanschlag erschüttert
Samstag 13. April 2024 - Oldenburg / Hannover (wbn). Ministerpräsident Stephan Weil hat gestern Abend gemeinsam mit dem Präsidenten der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst und dem Oberbürgermeister von Oldenburg, Jürgen Krogmann, die Synagoge in Oldenburg besucht. Auf diese Synagoge ist in der vergangenen Woche ein Brandanschlag verübt worden. Dank des schnellen Eingreifens von zwei aufmerksamen Hausmeistern einer benachbarten Einrichtung hatte man das Feuer schnell gelöscht.
Stephan Weil ist in die Oldenburger Synagoge gekommen, um seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen und mit Gemeindemitgliedern zu sprechen.
Ministerpräsident Stephan Weil: „Ich bin zum ersten Mal hier bei Ihnen in der Oldenburger Synagoge und ich hätte mir einen anderen Anlass gewünscht – das können Sie mir glauben. Vor einer Woche ist auf ihre Synagoge ein Brandanschlag versucht worden. Dieser Brandanschlag hätte, das hat Michael Fürst zurecht gesagt, auch schlimm ausgehen können. Und ich bin sehr froh, dass zumindest der äußere Schaden nicht so dramatisch war.
Ich hoffe sehr, dass der Optimismus von Michael Fürst gerechtfertigt ist, dass es Ihnen Herr Polizeipräsident und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelingen wird, den oder die Täter ausfindig zu machen. Das wäre wichtig, damit wir mehr über die Hintergründe erfahren, aber auch, damit wir zeigen können, wie der Rechtsstaat auf eine solche Tat reagiert.
Ein Gotteshaus dient dem Gebet und den Gesprächen der Menschen mit Gott. Ein Anschlag auf ein Gotteshaus ist immer ein unerträglicher Angriff. Das gilt für Kirchen, das gilt für Moscheen und das gilt erst recht für Synagogen!
Dieses ‚erst recht‘ hängt natürlich zusammen mit unserer deutschen Geschichte. Der 9. November 1938, die Reichspogromnacht, markiert den Beginn des absoluten Tiefpunktes der deutschen Geschichte - und vielleicht der Zivilisationsgeschichte überhaupt.
Diese Reichspogromnacht, das massenweise Niederbrennen von Synagogen in Deutschland war der Auftakt zur Shoa - zu einer Massenvernichtung, einer Ausrottung von Jüdinnen und Juden in Deutschland und in Europa. Nie zuvor und zum Glück seitdem nie wieder ist Deutschland so tief gesunken, wie in dieser Zeit.
Vor diesem Hintergrund habe ich es immer wieder als ein Wunder empfunden, dass Menschen jüdischen Glaubens Deutschland eine zweite Chance gegeben haben. Das gilt für die wenigen, die den Krieg und die Verfolgung überlebt haben und die Deutschland geblieben sind. Und wir wissen ganz genau, dass dieser erneute Anfang hier für sie sehr schwer gewesen ist.
Das gilt auch für diejenigen Jüdinnen und Juden, die insbesondere seit den neunziger Jahren nach Deutschland gekommen sind und die hier ihre neue Heimat gefunden haben. Sie haben dazu beigetragen, dass wir heute sagen können, dass das Judentum in Deutschland wieder präsent ist. Das ist wirklich ein Wunder, das vor diesem historischen Hintergrund gar nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Aber genau vor diesem Hintergrund ist jeder Anschlag auf eine Synagoge in besonderer Weise unerträglich und beschämend!
Ich habe mich wirklich gefreut, dass ich nach der Rückkehr von einer Reise Ende letzter Woche gehört und gelesen gelesen habe, dass es in Oldenburg sofort sehr starke und deutliche Reaktionen auf diesen Anschlag gegeben hat.
Und wenn ich das sagen darf, lieber Oberbürgermeister Krogmann, eine Stadt die so reagiert, auf die kann man stolz sein. Es ist genau der richtige Impuls, in einer solchen Zeit dann sehr schnell Solidarität und Anteilnahme zu zeigen.
Genau diese Solidarität und Anteilnahme möchte ich heute auch mit meinem Besuch hier in der Synagoge ausdrücken. Das ist nicht irgendeine lokale Angelegenheit hier in Oldenburg. Wir nehmen diesen Anschlag auch als eine Angelegenheit des Landes Niedersachsen wahr.
Jüdische Gotteshäuser sollten überall in Niedersachsen sicher sein. Jüdinnen und Juden sollten sich überall in Niedersachsen sicher fühlen können.
Ich weiß, das ist leichter gesagt, als getan. Es hat in den letzten Jahren leider viele Anlässe gegeben, zu denen Sie sich immer wieder fragen mussten, wie sicher bin ich? Und es tut mir furchtbar leid, dass das so ist.
Die Anlässe für dieses Gefühl der Unsicherheit sind vielfältig: ein wachsender Rechtsextremismus in Deutschland und antisemitisches Gedankengut bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft hinein. In jüngster Zeit kommen Hinweise auf den Nahostkonflikt hinzu und die rational überhaupt nicht erklärliche Reaktion, dass Jüdinnen und Juden, die hier in Deutschland leben, verantwortlich wären für israelische Politik.
Aber Angst ist kein guter Ratgeber. Sie können sicher sein, dass der Staat alles tun wird, was er tun kann. Michael Fürst hat völlig zurecht darauf hingewiesen, dass wir gerne mit Ihnen darüber sprechen, wenn Sie den Eindruck haben, dass wir noch mehr für ihre Sicherheit tun könnten. Die Lage kann nicht vom grünen Tisch in Hannover aus beurteilt werden, sondern am besten von denjenigen, die hier vor Ort sind. Zusätzliche Sicherheit darf nicht am Geld scheitern. Dafür ist uns die Sicherheit der Jüdinnen und Juden und der Synagogen in Niedersachsen gerade vor dem geschilderten Hintergrund zu wichtig.
Ich weiß, dass Sie hier heute Abend eigentlich aus einem freudigen Anlass zusammengekommen sind. Und das sollte man sich auch nicht verdunkeln lassen durch die Tat vor einer Woche. Und deshalb freue ich mich, dass wir gleich hier trotz allem auch noch ein bisschen feiern können.“