Der Kommentar
CDU macht Kandidatur zur "Ministersache": In der Landratsfrage steckt das emotional größere Potenzial am Tag der Doppelwahl
Von Ralph L o r e n z
Was für eine Ausgangslage zur Bundestagswahl mit parallel stattfindender Landratswahl am 22. September im Weserbergland!
Eine selbstbewusst auftretende SPD-Bundestagskandidatin wie „LöMö“ Lösekrug-Möller, die als unangefochtener Platzhirsch(-in) diesen Weserbergland-Wahlkreis wieder für die Genossen verteidigt, wird flankiert von einem noch weithin unbekannten Landratskandidaten aus der Wedemark namens Tjark Bartels. Auf der anderen Seite ein CDU-Schwergewicht wie der Ex-Innenminister Uwe Schünemann, der von CDU-Kreistagsfraktion und Kreisvorstand heute einmütig als Landratskandidat ausgeguckt worden ist und wiederum einen CDU-Bundestagskandidaten wie Michael Vietz zur Seite hat, dessen Grad an Bekanntheit noch um einiges steigerungsfähig sein dürfte.
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Eine asymmetrische Situation gewissermaßen. Stellen wir uns einen offenen Paternoster vor: Der eine im Aufzug käme von oben, der andere von unten. Allein die Situation der Kandidatur um den Führungsposten in der Herzkammer des Weserberglands bringt die Kandidaten auf Augenhöhe. Was wird die Region am Wahlsonntag des 22. Septembers emotional mehr bewegen. Wer den Wahlkreis wieder in Berlin vertritt? Oder wer am Schreibtisch von Rüdiger Butte Platz nimmt? Das Leben schreibt Dramen, die sich kein Shakespeare, kein Schiller ausdenken kann.
Das emotional größte Potenzial steckt in der Landratsfrage. Die CDU hat die Tragweite erkannt und einen Kandidaten im Kingsize-Ministerformat aufgefahren. Aber Kingsize war auch der seinerzeitige Hamelner CDU-Lokalmatador Klaus Arnold – bis ein damals noch als Außenseiter belächelter SPD-Kandidat namens Rüdiger Butte aus Holzminden antrat. Ein im Landkreis quasi unbekannter Bewerber mit Führungsqualitäten in einer eher abgeschotteten Behörde, dem Landeskriminalamt. Um so überraschender sein Prinzip der offenen Türen als gewählter Landrat. Aber er liess nicht nur die Bürger mit ihren Sorgen und Nöten zu sich kommen, er ging auch unentwegt in die Dörfer. Ein bodenständiger Fleißarbeiter in Sachen Popularität.
Den Namen Uwe Schünemann kennt man also – und einen gewissen Tjark Bartels wird man sich wohl noch merken müssen. Beide Kandidaten haben eines gemeinsam – sie wollen mit der gebotenen Sensibilität ihre politischen Eckpfähle abstecken aber keinen polarisierenden Krawallwahlkampf führen. Das sind sie den tragischen Umständen schuldig unter denen Rüdiger Butte ums Leben kam. Damit zollen sie auch Respekt vor dessen Lebensleistung für diese Region.
Wer die zweite Amtszeit aufmerksam verfolgt hat, dem dürfte nicht entgangen sein, dass Rüdiger Butte sich zunehmend aus dem Parteiprofil gelöst hatte und bemüht war glaubwürdig ein Landrat für alle Bürger zu sein. Mit einem pragmatisch ausgerichteten Masterplan. Das ist eine Messlatte, an der sich beide Kandidaten orientieren sollten.
Nein, wir wollen keine Parteisoldaten, die an der ideologischen Linie stramm stehen – wir wollen vielmehr konsensfähige Architekten mit der Blaupause für die Zukunft. Einen Nachfolger für Rüdiger Butte eben, mit dem nötigen Respekt vor dem politischen Willen des Kreistages. Und des Wählers, der diesmal mit den personellen Alternativen der Kandidaten geradezu verwöhnt wird.