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Der Leitartikel

Die Causa Sarrazin. Werden sich die Wähler das merkeln?

Von Ralph L o r e n z

Die Causa Sarrazin ist der Politik außer Kontrolle geraten. Es ist der Super-Gau eingetreten. Nicht weil sich der alte CSU-Haudegen Gauweiler aus München zusätzlich eingemischt hat, sondern weil jetzt alle dranhängen an der Blindenkette: Die Kanzlerin, die Bundesbank, der Bundespräsident. Ach ja, die SPD gibt es ebenfalls noch.

Gabriel verhält sich sehr geschickt. Er lehnt sich zurück und überlässt den anderen die Theaterbühne, obwohl das Schmierenstück eigentlich in seinem eigenen Stall spielt. Schließlich ist Thilo Sarrazin, der Buchautor von „Deutschland schafft sich ab“, noch immer prominentes Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Die will ihn natürlich zu allererst entsorgen, weiß aber nicht wie. Die Bundesbank will ihn sowieso loswerden. Weiß jedoch auch nicht so richtig, wie sie das anstellen soll. Auch der Bundespräsident Wulff weiß noch nicht, wie er es schaffen soll, dass bei seiner ersten schwierigen Entscheidung in seiner kurzen Amtszeit der Wulf in ihm nicht allzu vernehmbar mit den Wölfen aus dem Kanzleramt heult. Und das alles wegen eines Buches, dessen sechste Auflage gerade gedruckt wird und das noch immer die wenigsten gelesen haben, weil sie in der wachsenden Warteschleife der Buchbestellungen hängen. Was für eine zurückliegende Woche, was für ein Nachrichtenumfeld, das ein Dramatiker nicht besser arrangieren könnte und das nur einen Mann zu bestätigen scheint – Sarrazin, den Sarrazenen (von dem Volk der Sarrazenen soll ein arabisches „Gen“-Schnipsel in seiner Doppelhelix wüten).

Fortsetzung von Seite 1

Während Sarrazin die Werte des Abendlands bedroht sieht, versucht Gadaffi vor den Toren des Vatikan italienische Hostessen zu "bekehren"

Zu den Nachrichten dieser Woche: Während in Deutschland die Gutmenschen zur Hochform auflaufen und den Scheiterhaufen zur geistigen Verbrennung der Sarrazin-Bücher mit hölzernen Einwürfen auftürmen, schlägt der Oberbeduine Gaddafi in seiner Operettenuniform vor den Toren des Vatikan sein Zelt auf und will allen Ernstes Hundertschaften italienischer Hostessen, die er vor sein Luxus-Wohnzelt bestellt hat, zum Islam bekehren. Die Botschaft ist einfach: Islamisten haben gegenwärtig Narrenfreiheit und stehen als von Sarrazin bedrohte Rasse unter Artenschutz. Würde ein europäischer Politiker umgekehrt auf die Idee kommen in Mekka mit dem Kreuz aufzutauchen und die Pilgerinnen zum Christentum bekehren zu wollen, würde er den Wallfahrtsort nicht mehr lebend verlassen.

Ein Muslim fordert Lynchjustiz – der Niederländer Wilders soll von „Gläubigen“ enthauptet werden, weil er anders denkt

Parallel dazu ruft ein Muslim zur Enthauptung des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders auf. Ihm müsse „der Kopf abgeschlagen werden“, weil er den Islam verunglimpfe. Beides scheint aber die veröffentlichte deutsche Meinung nicht sonderlich zu empören. Dagegen meldeten sich gleich zahlreiche Bedenkenträger aus der Gutmenschen-Ecke zu Wort als aus Hessen die Nachricht kam, dass ein Arzt ein Kopftuchverbot in seiner Praxis verkündete. Der Mann, der sehr viele Migranten offenbar zur bislang allseitigen Zufriedenheit behandelt, hat zumindest ein Argument. Er möchte der Person, die sich als Patientin vorstellt, bitteschön zu Diagnosezwecken ins Gesicht sehen können – und auch dorthin, wo er es anlaßbezogen für erforderlich hält.  Übrigens, im Fall des hessischen Arztes gab es sofort Forderungen, ihm die Zulassung zu entziehen.

Warnung vor Anschlagserie in Deutschland – Terrorismusverdächtige kommen aus einer Hamburger Moschee

Am Wochenende schließlich drang aus Afghanistan die Warnung vor einer Anschlagserie mit radikalem islamistischen Hintergrund an die Öffentlichkeit: Das Ziel soll Deutschland sein. Personen aus diesem Terroristen-Zirkel sollen in der Hamburger Taiba-Moschee verkehrt sein. Wenn es nach unserer niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan ginge, von Christian Wulff seinerzeit noch ins Amt gehievt, dürften diese Zeilen nach der von ihr ausgedachten „Medien-Charta“ für eine migrantenfreundliche Berichterstattung allerdings gar nicht geschrieben werden. Das Standard-Totschlagargument heißt dann stets, Beiträge dieser Art seien „nicht hilfreich“. Es haben sich aber entgegen der Annahme der Sozialministerin keine Dummen gefunden, die das zur freiwilligen Selbstentmündigung unterschreiben. Diese Melange verleiht dem Sarrazinbuch die Sprengkraft, die von der Deutschen Verlagsanstalt DVA völlig unterschätzt worden ist. Dort hatten die Erbsenzähler 30.000 Bücher als Startauflage vorgesehen. Jetzt müssen sie wohl die siebte, achte, neunte, zehnte Auflage andenken. Das sagt uns, dass auch dort das Buch zunächst völlig unterschätzt worden ist.

Sarrazin hatte seine Vorstandskollegen ungefragt schriftlich über sein Buch informiert. Aber keiner wollte es wissen

Mitte August hatte Sarrazin seinen Vorstandskollegen in der Bundesbank schriftlich mitgeteilt, dass er ein Buch veröffentlichen werde. Das hat die Herrschaften nicht einmal peripher interessiert. Geistige Auseinandersetzung scheint in der Frankfurter Zahlenwelt nicht deren Ding zu sein. Selbst in einer Dosenfabrik hätte man den schriftstellernden Nachbarn am Fließband in einer Zigarettenpause gefragt, was er denn in Buchform so von sich zu geben gedenke, wenn er denn wirklich einen Verlag gefunden hat.  Aber da das ja alles als Privatsache gesehen wurde, hat es diese wichtigen Leute in ihrem Bundesgeldschrank nicht wirklich interessiert. Jetzt ist es plötzlich nicht mehr Privatsache. Jetzt wollen sich die Banker vor Schaden bewahren, sind aber jetzt den Nachweis schuldig, wie denn das Sarrazin-Buch das Ansehen der Bundesbank geschädigt haben soll.

Die Öffentlichkeit weiß sehr genau, dass Sarrazin dieses Buch nicht als Banker geschrieben hat. Der Versuch, Schaden herbeizureden

In der Öffentlichkeit wird ganz klar zwischen dem Privatautor Sarrazin und dem Bundesbanker unterschieden. Niemand kann ernsthaft den Nachweis erbringen, dass Sarrazin die Bundesbank mit diesem Werk, das noch vor Wochen keinen Vorstandskollegen interessiert hatte, in Misskredit gebracht haben soll. Doch plötzlich können die Zahlenmenschen nicht mehr 1 + 1 auseinander halten.  Die Banker haben den Rausschmiss wegen angeblichen  Ansehensverlustes durch die Buchveröffentlichung einstimmig beschlossen. Im vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Herrschaften in Berlin. Die Bank-Anwälte sollen jetzt nachträglich eine juristisch tragfähige Begründung für den demnach juristisch unüberlegten Zwangsabgang herbeizaubern. Man muss sich diese Verhöhnung jeglichen Rechtsempfindens vor den Augen der Öffentlichkeit einmal vorstellen. Jeder Arbeitsrichter wird da die Augenbrauen hochziehen. Von dem bislang verbrieften Recht auf Meinungsfreiheit ganz zu schweigen.

Deutschland driftet Richtung Bananenrepublik ab – darf man das überhaupt noch ungestraft aussprechen, Frau Özkan?

Jawohl, es ist soweit: Deutschland driftet Richtung Bananenrepublik ab. (Möglicherweise steht der Begriff Bananenrepublik schon auf Özkans Charta-Index der verbotenen Worte, also bitte nicht dem geheimen „Meldedienst für nicht hilfreiche Worte“ im bittersüß lächelnden Özkan-Ministerium melden. Sonst kommt im Morgengrauen die Wortpolizei). Polemik. Das ist auch so ein Totschlagwort. Sarrazin polemisiere, anstatt einen Beitrag zur Problemlösung zu leisten, wird ihm vorgeworfen. Dabei besteht hier gar kein Gegensatz. Pólemos bezeichnet, aus dem Alt-Griechischen kommend, einen scharfen Meinungsstreit. Eine Sache zuspitzen zu können, ist eine intellektuelle Leistung. Die Angelegenheit wird scharfsinnig auf den Punkt gebracht. Mit der Zielrichtung eine Lösung herbeizuführen. Die Kunst der Polemik ist vor die Hunde gegangen, weil die Polemiker in unserer Zeit diffamiert werden. Die Pöbel-Kultur in den Talkshows hat die Streitkultur verdrängt. Das hat gerade die Erregungs-Stafette der einschlägigen Talkshows in der vergangenen Woche gezeigt.

Talkshows werden zu medialen Stierkampfarenen. Und das Publikum will Blut sehen.

Von Will, Beckmann, Plasberg bis Illner – es erinnert an mediale Stierkampfarenen. Mit vielen Picadores, die den Stier reizen, verletzen, schwächen, beleidigen, bis ein Friedmann in eitler Pose den Degen hinter der blutroten Capa blitzen lässt. Aber Sarrazin hat den befleckten TV-Moderatoren, der sich schon wieder als moralische Instanz sieht, auf seine Weise auf die Hörner genommen. Er hat das Wort benutzt, das mit „A“ anfängt. Es geht längst gar nicht mehr um das Buch, das dummerweise keine sachliche Angriffsfläche für Verbote, einstweilige Verfügungen und sonstiger Schikanen aus dem Arsenal gegen die Meinungsfreiheit bietet. Sarrazin hat etwas bewirkt, was er so vermutlich gar nicht wollte. Er hat dem regierenden Berlin die Maske vom Gesicht gerissen.

Merkel hat sich mehr beschädigt als Gabriel und hat sich selbst öffentlich der Lüge von der Unabhängigkeit überführt

Angela Merkel hat mehr Schaden genommen als Gabriel. Unüberhörbar war die Erwartungshaltung des Kanzleramtes, wie denn mit der Causa Sarrazin in der Bundesbank umzugehen sei. Die Medien weideten sich genussvoll an dem Druckmittel, das Merkel gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden in Händen hält, der schließlich mit Merkels Hilfe oder von deren Gnaden Chef der Europäischen Zentralbank werden will. Ein intelligenter Fachmann der Finanzwirtschaft, der erbärmlich hinter einer am Stock vor die Nase gehaltenen Wurstpelle hinterherhechelt. Als Weber dann den erwarteten Rauswurf Sarrazins pflichtgemäß verkündete, wobei er bis vor kurzem noch behauptete, alles sei Sarrazins Privatmeinung und habe mit der Bundesbank nichts zu tun, kam aus der Augsburger Puppenkiste in Berlin prompt ein dickes Lob. "Die Bundeskanzlerin hat die unabhängige Entscheidung des Bundesbank-Vorstandes mit großem Respekt zur Kenntnis genommen", richtete der Regierungssprecher aus. So also sieht Respekt a la Merkel aus. Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philosoph geblieben… Diese Peinlichkeit vollzog sich vor den Ohren der Öffentlichkeit, die sich das möglicherweise bis zur nächsten Wahl „merkeln“ wird.

Muss man Wulffs Vorgänger Köhler jetzt doch in einem anderen Licht sehen?

Christian Wullf, der zwar offiziell eingezogene, geistig aber noch nicht im Amt angekommene Bundespräsident von Merkels Gunsten, hat sich in der Causa Sarrazin die nächste Blöße gegeben. Er, der damit rechnen musste, die Sarrazin-Entlassung zur Gegenzeichnung auf den Tisch des Bundespräsidenten zu bekommen, mischte sich ohne Not in die Niederungen der Tagespolitik ein und signalisierte der Bundesbank ebenfalls auf drängende Weise seine Erwartungshaltung im Fall Sarrazin. So wie er es auch schon in Duisburg getan hatte. Der Sitz des Bundespräsidenten ist keine Rossmann-Filiale mit schnell gedruckten Handzetteln für Tages-Sonderpreisaktionen im Ausverkauf der Republik. Hier wird auf Büttenpapier mit grüner Tinte aus der gediegenen Goldfeder Staats- und Rechtsgeschichte geschrieben. Hier hat der Vorgänger Köhler, den man wahrscheinlich doch in einem anderen Licht betrachten muss, dem Kanzleramt die Stirn geboten. Wie auch seine Vorgänger. Köhler war auch zurückgetreten, weil er Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten eingefordert hatte. Ihm wäre es auch nie in den Sinn gekommen, im Touristenoutfit in der nach Geld stinkenden Maschmeyer Party-Society in Malle aufzutauchen. Unabhängig sieht anders aus. Und wenn sich Bundespräsidenten unters Volk gemischt haben, dann in der Wanderkluft wie Professor Karl Carstensen auf seinen Deutschland-Bürgerwanderungen, damals mit 2000 Zeitgenossen zwischen Hattingen und Essen.

Ach, wäre das Bundespräsidialamt doch noch zur Gauck-Behörde geworden…

Will Wulff ausgerechnet im Amt des Bundespräsidenten die in der Krawatten-Manschettenknopf-Streberkultur der jungen Unionsjahre versäumte Spaßkultur der Hemdsärmeligkeit nachholen? Dieser Wulff also soll jetzt in seinem bisher schwierigsten Fall im neuen Amt unvoreingenommen eine Entscheidung treffen in einem Anliegen, in dem es längst nicht mehr nur um die Causa Sarrazin geht? Ach, wäre das Bundespräsidialamt doch noch zur Gauck-Behörde geworden! Der wäre in dieser Beziehung unverdächtig geblieben. Sarrazin hat nicht nur ein Besorgnis-Buch geschrieben, das die Frustrationen und verdrängten Befürchtungen der jetzt offensichtlichen, aber normalerweise schweigenden Bevölkerungsmehrheit thematisiert.

Islam-Propagandisten fordern von uns "Begrüßungskultur" ein - wo bleibt da deren "Dankbarkeitskultur"?

Er hat nebenbei auch unsere „als ob“-Politikkaste entlarvt. Als ob sie für alle sprechen würden, treten die Einschaltquoten-Priester in den vom Steuerzahler zwangsfinanzierten Talkshows auf. Als ob sie einen ganz speziellen Wählerauftrag dafür hätten, bestimmen die Regierenden und Spitzenpolitiker die Tonart und Wortwahl der Auseinandersetzung, die dabei manipulierenden Charakter hat. Es sind Sprachrituale mit der Zielrichtung der Denkblockade, die bisher ja ganz gut funktioniert hat, sonst wäre es nicht so weit gekommen. So fordern die Sprecher der Muslime von uns eine „Begrüßungskultur“, ein Stichwort, das von den Berufs-Integrationspolitikern freudig erregt aufgenommen wird.  Dass einer auch eine Verhaltens- und Dankbarkeitskultur der Besucher eingefordert hätte, ist nicht bekannt. Und im konkreten Fall geht es dann auch nicht um einen Mangel an Begrüßung, sondern entlarvend schnell um die Kohle vom Sozialamt. Mit welchem Recht eigentlich? Als Asyl- und Einwanderungsland hat Deutschland einen Spitzenruf. Sonst würden sie nicht zu uns strömen. Gleichzeitig sollen wir uns aber den Schuh anziehen intolerant, islam- und ausländerfeindlich zu sein. Komisch das.

Die Boat-People-Vietnamesen haben sich bei uns integriert - warum können das die Freunde aus dem Nahen Osten nicht?

Die Verwandten, die unbedingt auf den Nachzug ihrer Großfamilien aus dem Balkan, Nahen Osten und Afrika bestehen, scheinen in den Briefen und Telefonaten mit der Heimat etwas anderes zu berichten. Sonst würden nicht ständig neue Migranten mit dem Koffer in der Hand am Flughafen Schlange stehen. Wer erinnert sich noch an die „Boat-People“ aus Vietnam? Das Schicksal dieser beklagenswerten politischen Flüchtlinge hatte sie auch nach Deutschland gespült. Sie haben sich aktiv in die deutsche Gesellschaft integriert, ohne ihre Identität preiszugeben. Aus Ungarn kamen einst politisch Verfolgte, ebenso aus der damaligen Tschechoslowakei. Sie haben sich lautlos eine Basis geschaffen, damals arm wie Kirchenmäuse. Weshalb treten demgegenüber muslimische Bevölkerungsteile in Deutschland in einer Art auf, die nur noch als anmaßend und eben nicht integrationsbereit beschrieben werden kann? Ist diese Frage bereits rassistisch und migrantenfeindlich?

Die Abseitsfalle aus der Bundesliga funktioniert auch in unserer Gutmenschen-Gesellschaft

Allein diese Frage zu stellen – und es ist zunächst einmal auch eine soziologische – ist schon mit Denkverboten befrachtet. Von Ausgrenzung und Polemik ist dann die Rede. Und wer sich nicht schnell genug wegduckt, findet sich im rechtsradikalen Lager wieder. Jawohl, es gibt auch eine Abseitsfalle außerhalb der Bundesliga. Sie wird von Gesinnungsaktionsketten reflexhaft denen gestellt, die intellektuell ihre eigenen Wege gehen und mutig in den Taburaum vorwärts stürmen. Wer mit offenen Augen schon durch Hameln geht, weiß was Sarrazin meint. Erst recht gilt das in Ruhrgebietsstädten und in Berlin. Sarrazin hat Handlungsbedarf angemeldet und Lösungsansätze geliefert, die zunächst einmal diskussionsswert sind. Auch die Ablehnung eines Vorschlages kann die Vorstufe zu einer Lösung sein! Er spitzt zu, verdammt aber den muslimischen Bevölkerungsteil nicht pauschal. Er nennt die Probleme aus den arabischen, türkischen, kurdischen und nordafrikanischen Migrantengruppen beim Namen, weil aus diesem Tortenstück des Gesellschaftskuchens die überproportional größten Belastungen für das Zusammenleben entstehen. Das ist dank Sarrazin endlich Fakt.

Der Tabubruch von Sarrazin: Tacheles zu reden, statt Migrationslyrik anzustimmen

Tacheles zu reden, statt Migrationslyrik anzustimmen, die in Wirklichkeit nie jemand geglaubt hat -  das ist der Tabubruch eines Sarrazin. Er maßt sich ja gar nicht an es besser zu wissen. Und manchmal redet er ja auch blanken Unsinn. Wie bei dem Welt am Sonntag-Interview mit den „Genen der Juden“ und den „Genen der Basken“.  Dabei hat er ja nicht einmal gesagt, ob das gute oder schlechte sein sollen. Doch allein das Wort Juden hat schon gereicht um den Alarmstart der lauernden Erregungsinstanzen um Friedmann, Gabriel und Merkel auszulösen. Es gab eine Bereitschaftspolizei der Political Correctness, die in ihrem Eifer des Missverstehen-Wollens nur auf das eine Wort gewartet hat. Aber auf seine Weise ist Sarrazin ein naturbegabter Polemiker im ursprünglichen Sinn des Wortes, wenn auch nicht mit der intellektuellen Brillanz und Gedankenschärfe eines Cohn-Bendit, Heiner Geißler, Erhard Eppler, Joschka Fischer oder sogar Dahrendorf und Biedenkopf (in seinen besten Jahren) gesegnet. Sarrazin sagt’s eben platt und auf unanständig erscheinende Weise für jedermann verständlich.

Und über den Hügel reitet, wie einst die Kavallerie im Western, Klaus von Dohnanyi - der Gentleman kommt dem Genossen Sarrazin zu Hilfe

Wulff täte gut daran, Sarrazins Wunsch zu entsprechen und ihn anzuhören. Nicht nur pro forma. Wenn er schon auf die Meinung der Kanzlerin, die ihm Gutes getan hat, größten Wert legt und selbstverständlich die Bundesbank als Arbeitgeber hört, dann sollte er auch den Arbeitnehmer Sarrazin hören. Da hört er nämlich etwas Unerhörtes – Volkes Stimme. Vox Populi. Oder noch deutlicher: Die Intelligenz der Masse. Jawohl, Frau Merkel, Herr Wulff, Herr Gabriel – die soll es noch geben. Die neue Woche hat in der Causa Sarrazin übrigens mit einer Nachricht begonnen, die Hoffnung macht. „Niemand mit Sachkenntnis“ könne bestreiten, dass es „besondere kulturelle Eigenschaften von Volksgruppen“ gebe. Sarrazin habe nicht die Muslime insgesamt angegriffen, sondern nur jenen Teil von Zuwanderern, der sich weigere, seine „Kinder zum Deutschlernen, zu Bildungswillen und offener Integrationsbereitschaft zu erziehen“.

Die Worte stammen von Klaus von Dohnanyi. Der frühere Hamburger Bürgermeister will den Ex-Finanzsenator und Genossen vor der Schiedskommission der SPD verteidigen. Hut ab, der Mann hat Stil. Sozial-demokratisches Urgestein eben, aus den Zeiten einer besseren Streitkultur.

 

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