Prozesse im Bereich der Großhirnrinde
Untersuchungen an der Universität Paderborn: Hinweis auf neurophysiologische Veränderungen nach Knieverletzungen
Donnerstaq 3. Dezember 2020 - Paderborn (wbn). Veränderte Prozesse im Gehirn nach Kreuzbandriss: Untersuchungen der Universität Paderborn legen neurophysiologische Veränderungen nach Knieverletzungen nah.
Eine falsche Bewegung und das Kreuzband ist gerissen – eine folgenschwere Verletzung, die gerade bei Top-Athleten häufig auftritt. Trotz einer operativen Wiederherstellung oder Nachbildung der Fasern kommt es nicht selten zu anhaltenden Schmerzen und funktionellen Defiziten.
Mechanismen der posturalen Kontrolle im Blick
Profisportler unter der Lupe
An den Untersuchungen nehmen Probanden aus unterschiedlichen Sportarten und Leistungsklassen teil: vom Kreisliga-Fußballer bis hin zum Handball-Weltmeister. Mithilfe sogenannter Kraftmessplatten berechnen die Experten Schwankungsparameter, um so die Gleichgewichtsfähigkeit der Sportler objektiv beurteilen zu können. „Über ein zusätzlich angebrachtes 3D-Kinematiksystem werden Gelenkwinkelveränderungen und Körpersegmentbeschleunigungen aufgezeichnet. Gleichzeitig wird mittels mobiler, nicht-invasiver Elektroenzephalographie (EEG) die Aktivität des Gehirns erfasst, um so einzelne Hirnareale, aber auch die funktionellen Verbindungen zwischen verschiedenen Arealen zu beschreiben“, erklärt Lehmann.
Bewegungssteuerung wird angepasst
Die Wissenschaftler haben bei den Kreuzbandpatienten in Abhängigkeit vom Standbein – verletzt oder unverletzt – unterscheidbare Verknüpfungsmuster im Gehirn gefunden. Je nachdem, ob das gesunde oder das verletzte Bein verwendet wurde, liefen bei den Probanden unterschiedliche Prozesse in der Schaltzentrale ab. Dazu Lehmann: „Das deutet darauf hin, dass die Kreuzbandpatienten möglicherweise vermehrt visuelle und somatosensorische, also die Körperwahrnehmung betreffende Informationen in kortikale Netzwerke einbeziehen, um so verletzungsbedingte Veränderungen im Kniegelenk auszugleichen. Einfach ausgedrückt: Das Gehirn passt seine Strategien zur Bewegungssteuerung an“.
Da die Rolle dieser Netzwerk-Modulationen bisher allerdings noch ungeklärt ist, sollen weitere Studien zur Überprüfung der Ergebnisse folgen. Langfristig soll die Paderborner Forschung den Boden für zukünftige Langzeitstudien zum funktionellen Fortschritt auf neurophysiologischer Ebene bereiten und wichtige Erkenntnisse für die Therapie liefern. Das Projekt läuft bis Ende nächsten Jahres.