Der Kommentar
Dieser "Impfgipfel" war nun wirklich der Gipfel!
Von Ralph Lorenz
Es war ein Impfgipfel, der nicht zum Gipfel geführt hat. Hätte er denn darin gegipfelt, was von ihm erwartet worden ist, dann wäre aus dem "Gipfelgespräch" der Ministerpräsidenten und der Pharma-Industrie mit der Kanzlerin ein nationaler Impfplan mit klaren Ansagen, das heißt Terminen und Planbarkeit bis ins einzelne Impfzentrum der Landkreise, hervorgegangen.
Stattdessen hat die Kanzlerin den „Gipfel“ als „sehr wertvoll und aufschlussreich“ bezeichnet. So werden in Berlin also wieder einmal Nebelkerzen verschossen – das ist nun wirklich der Gipfel in einer Frage in der es um Leben und Tod geht. Ach ja. Und während die Gesprächsteilnehmer dieser Video-Schalte in Berlin ihre Gedanken sortierten, wurden auf der Brexit-Insel von Boris Johnson mal eben wieder Hunderttausende geimpft.
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Aber "bis Ende des Sommers" soll es schon ein Impfangebot für alle in Deutschland geben. Ob die Betagten und Gebrechlichen in den Altenheimen den Altweibersommer noch erleben dürfen und gerade auch die Behinderten, die es mindestens ebenso brauchen, bleibt dahingestellt.
Gar nicht erwarten kann’s derweil der FDP-Landtagsfraktionschef Stefan Birkner in Hannover. Er fordert den Rücktritt der Niedersächsischen Gesundheitsministerin Carola Reimann. Wegen der ihr unterstellten „chaotischen Impfplanung“.
Das hat er mal eben so rausgehauen. In einem Brief an den Niedersächsischen Ministerpräsidenten mit Sonntagszustellung hat er dies apodiktisch verlangt, was ihm zumindest den Niederschlag in den Montags-Gazetten garantiert hat. Weil hat sich dazu am Wochenende nicht geäußert, was ja für sich schon eine ganze Menge sagt.
Und auch bei Anne Will am Sonntag Abend, wo Weil zugeschaltet war, stand dies nicht zur Debatte. Warum soll auch eine Gesundheitsministerin in Niedersachsen zur Rechenschaft gezogen werden für eine Sache, die erkennbar in Brüssel und Berlin verbockt worden ist? Es ist einfach nicht ihre Baustelle!
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber auch Spahn kann sich im Berliner und Brüsseler Chaos halten.
Wenn Birkner wirklich zur Sache gehen wollte, müsste er bei Ursula von der Leyen in Brüssel ansetzen. Doch die EU-Kommissionschefin ist für den FDP-Landespolitiker Birkner außerhalb der Reichweite. Mit ihren Impfverträgen aus der „Best Efforts“-Welt der kaufmännischen Wattebäuschchen hat sie alles versemmelt. Mal wieder. Aber an die Ursula trauen sich Lindner und Birkner nicht ran.
Manfred Güllner, der Gründer des Forsa-Instituts, meldete sich zum Wochenbeginn mit der Mahnung zu Wort, die FDP müsse aufpassen, dass sie sich in der Corona-Krise nicht in schrägen Tönen verliere. Es sei "richtig und geboten, die Maßnahmen der Bundesregierung zu hinterfragen", sagte Güllner. "Doch die Kritik darf nicht zu schrill werden oder ins Fahrwasser der Querdenker oder der AfD geraten."
Das gilt erst Recht für die Landespolitik in Niedersachsen und für die FDP-Kritik an Weils Gesundheitsministerin. Diese kann immerhin darauf verweisen, dass Niedersachsen im Ländervergleich stets unter den drei besten Werten der Corona-Inzidenzskala zu finden ist. Das sind Fakten.
Das spiegelt am besten Reimanns angenehm unaufgeregte Amtsführung wieder, die sich in diesen Pandemiezeiten sehen lassen kann. Weil weiß was er an seiner Ministerin hat.
Und auch das sei vermerkt: Warum hat Birkner nicht in der vergangenen Parlamentswoche, was Reimann betrifft, den Mund aufgemacht? Da hätte er eine unmittelbare Antwort erhalten können.
Oder auch nicht.