Prügelstrafe für Andersdenkende:
Wie Constantin Grosch "Back-Pfeifen" verteilt, wenn ihm bereits ein einziges (aber richtiges) Wort nicht gefällt
Von Ralph L o r e n z
5. Juni 2014 - Lieber Herr Grosch, Sie haben sich über meinen Kommentar zur Leichten Sprache echauffiert (in Leichter Sprache: erregt, empört). Damit kann ich leben. Was ich allerdings nicht hinnehme: Sie schreiben von „unsäglichen Unterstellungen, Beleidigung ehrenamtlich Tätiger und das Aufzeigen völligen Unwissens über das Thema Inklusion“. Dafür sind Sie den Beweis schuldig!
Und verwechseln Sie bitte nicht Ihre ureigene Interpretation und vermeintliche Lesart einer meiner Kommentarpassagen mit einer von Ihnen behaupteten konkreten „Beleidigung“ einer ehrenamtlichen Person. Das ist dann Ihre ureigene bösartige Unterstellung, aber nicht meine Aussage. Bleiben Sie bitte auf dem Boden der Tatsachen.
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Dreh- und Angelpunkt Ihrer Unterstellungen ist mein Verständnis-Hinweis in Leichter Sprache, dass Inklusion mit „einbeziehen“ beschrieben werden könne und hilfsweise schiebe ich in einem Atemzug sogleich „teilhaben“ hinterher, damit kein Missverständnis aufkommt. Diesen nachgeschobenen „teilhaben“-Hinweis verschweigen Sie in Ihrer Replik völlig!
Warum? Weil das Ihnen offensichtlich nicht in den Kram passt und Ihre ganze Attacke ins Leere laufen würde, wenn Sie das textgetreu als „einbeziehen, teilhaben“ zitieren würden? „teilhaben“ und „Teilhabe“ wie von mir als Übersetzung in Leichter Sprache angeboten, gehört nämlich auch zum offiziellen Piratensprech wenn Piraten Inklusion beschreiben. Es wird allgemein parteiübergreifend akzeptiert.
Die „Piratenpartei.de AG Inklusion“ definiert Inklusion wie folgt: „… Was ist Inklusion? Die Forderung nach Sozialer Inklusion ist verwirklicht, wenn jeder Mensch in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in vollem Umfang an ihr teilzuhaben oder teilzunehmen…“
Aber nun nochmal zu meiner betont schlichten, vereinfachten Wortwahl „einbeziehen“. Allein daraus ziehen Sie die Kraft der Unterstellung ich hätte schon aufgrund dieser Wortwahl die Inklusion nun gar nicht verstanden: „…unsägliche Unterstellungen, Beleidigung ehrenamtlich Tätiger und das Aufzeigen völligen Unwissens über das Thema Inklusion…“ Irgendwie kommen Sie dann sogar auf „Integration“ zu sprechen, obwohl das Wort kein einziges Mal bei mir auftaucht.
Mein Rat, lieber Herr Grosch. Halten Sie einfach mal die Luft an. Sie sind nicht im Besitz der allein seligmachenden Wortdeutung!
Wer aufgrund eines einzigen Wortes bei Grosch alles in Ungnade fallen müsste: Von der GEW bis zu angesehenen Inklusions-Institutionen
Wenn ich aufgrund der Wortwahl „einbeziehen“ wie von Ihnen behauptet keine Ahnung haben sollte und völliges Unwissen aufzeigen würde, dann hätten folgende Personen und Institutionen ebenfalls keine Ahnung, weil die mit mir, was diese Wortwahl betrifft, Brüder und Schwestern im Geiste sind.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schreibt in einer Einladung zur Inklusions-Diskussion mit Professorin Andrea Platte: „Inklusion heißt Einbeziehen. Kein Schüler ist „andersartig“.
Das Portal tag-der-inklusion zeigt die sattsam bekannte Inklusionsgrafik und schreibt darunter: „Was bedeutet Inklusion? Inklusion bedeutet allgemein das Einbeziehen von Teilen in und zu einem Ganzen“.
Die angesehene „Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft“ vermerkt ebenfalls zur Frage: Was bedeutet Inklusion? „Inklusion bedeutet allgemein das Einbeziehen von Teilen in und zu einem Ganzen.“ Und ein paar Zeilen weiter kommt auch, wie bei mir der Hinweis auf die Teilhabe. Ach ja, der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler (Grüne) sagt: „Inklusion heißt alle mit einbeziehen und das fängt in der Kita an.“
Hat der sich jetzt auch eine „Back-Pfeife“ von Grosch verdient? Oder wo bleibt, Herr Grosch, die Abwatscherei für die Verfasser des Fachbuches „Inklusion vor Ort – Der Kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch“ in dem wortwörtlich steht: „Das Wort Inklusion kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie „Einschließen“ – im positiven Sinn von „Einbeziehen“.
„Inklusion meint nicht nur den Einbezug von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen, sondern das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu inklusiver Bildung in der allgemeinen Schule für alle, kurz: den generellen Abschied von der Selektion“, unterstrich Demmer." Von wem das wohl schon wieder stammt? Von der GEW natürlich. Die hat sich damit eine doppelte Back-Pfeife von Grosch verdient.
Ausgrenzung von Andersformulierenden - so versteht Grosch offenbar die Inklusion
Klar doch: Prügelstrafe für alle, die nicht die Deutungshoheit des Piraten Grosch anerkennen. Inklusion im Stile von Grosch heißt wohl: Ausgrenzung von Andersformulierenden. Und in Deckung gehen muss auch die Hamburger Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen. Sie hat von, ´na was wohl, gesprochen, wir wagen’s schon nicht mehr auszusprechen…
Aber seit selbst Ruth Schneeberger in der Süddeutschen Zeitung Inklusion mit Einbeziehung beschreibt, ist auch die letzte Bastion „deutschen Qualitätsjournalismus“ gefallen. DWZ und Weserbergland-Nachrichten.de finden vor den Augen des Piraten ohnehin keine Gnade.
Das Grosch-Pamphlet lebt davon, dass entscheidende Passagen in meinem Kommentar einfach von dem Piraten-Autor weggelassen werden damit so der Eindruck entsteht, ich hätte den Gedanken der Inklusion nicht nur nicht verstanden sondern wäre ihm auch nicht gewogen.
Doch was hatte ich letztes Mal geschrieben?
Das „Forum Inklusion“ lädt ein zu einer Auftaktveranstaltung „Leichte Sprache“. Ziel der Begegnung am Mittwoch, 18. Juni, 15 Uhr in der Elisabeth-Selbert-Schule in Hameln ist es den Einstieg in die „Leichte Sprache“ mit einer Reihe von Fortbildungen fortzusetzen, einen „Runden Tisch“ zu gründen. Der Einfall ist vortrefflich, dem Veranstalter ein volles Haus gewünscht.
Mit diesen besonders hervorgehobenen lobenden Sätzen habe ich meinen Kommentar eingeleitet. Schreiben so die Gegner der Inklusion, Herr Grosch?
Warum haben Sie das in Ihrem Blog augenscheinlich gezielt unterschlagen? Ganz nebenbei haben Sie mit Ihren Text-Unterschlagungen die Leser, die Ihren Blog geliked haben, hinters Licht geführt.
Und haben Sie eigentlich bemerkt, dass es mir in meinem Kommentar gar nicht um Inklusion ging. Sondern um sogenannte „Leichte Sprache“, zu der in schwerer Sprache auf unglaubwürdige Weise eingeladen worden war?
Und dann die allerletzte Frage: Welches einfache Wort würden Sie nach dem Gesetz der Leichten Sprache für Inklusion einsetzen? Die Antwort sind Sie in Ihrem Pamphlet schuldig geblieben. Das ist Heckenschützenmanier. Unfaire Kritik aus der Deckung heraus.
Ich, für meinen Teil, habe die Definition gegeben und sehe mich in bester Gesellschaft. Dazu gehören Sie, Herr Grosch offenbar nicht..
Zur Dokumentation und zum fairen Textvergleich:
(Mein Kommentar in voller Gänze und darunter die Antwort von Constantin Grosch, ebenfalls ungekürzt für ein abschließendes Urteil.)
Der Kommentar
"Leichte Sprache", schwere Sprache. Eine sich selbst parodierende Einladung zu einer Sprachrunde mit dem Ziel eines Runden Tisches
Von Ralph L o r e n z
3. Juni 2014 - Das „Forum Inklusion“ lädt ein zu einer Auftaktveranstaltung „Leichte Sprache“. Ziel der Begegnung am Mittwoch, 18. Juni, 15 Uhr in der Elisabeth-Selbert-Schule in Hameln ist es den Einstieg in die „Leichte Sprache“ mit einer Reihe von Fortbildungen fortzusetzen, einen „Runden Tisch“ zu gründen. Der Einfall ist vortrefflich, dem Veranstalter ein volles Haus gewünscht.
So weit, so gut. Es ist aber auch ein kühnes Unterfangen. Denn sie wissen offenbar nicht wirklich was sie tun, die Einladenden. Laut gedruckter Einladung soll Hameln-Pyrmont zum Landkreis mit vielen Ansprechpartnern für „Leichte Sprache“ avancieren. Warum avancieren? Liebe Leut‘, wie wär’s mit dem schönen Wort „ sich entwickeln“? Klingt nicht so wichtig, trifft aber auf gut Deutsch den Kern der Sache. Und überhaupt „Forum Inklusion“. Geht’s nicht etwas einfacher? Forum – Meinungsaustausch. Inklusion – Einbeziehung, Teilhabe? Da hilft es auch nicht das Wort in Regenbogenfarben zu tauchen, was wohl kindhaft wirken soll aber inzwischen zum belanglosen Sozialarbeiter-Augenpulver verkommen ist.
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In der Einladung steht auch: „Menschen mit Beeinträchtigungen müssen den Inhalt verstehen können.“ Ein so dahingeschriebener, gedankenloser Satz! Er wirft Fragen auf:
Sollen nicht auch Menschen ohne Beeinträchtigung den Inhalt verstehen können? Und geradezu ungeheuerlich: Weshalb wird einfach mal so leichtfertig unterstellt, dass „Menschen mit Beeinträchtigungen“ Inhalte nicht verstehen? Ich kenne Rollstuhlfahrer, die den Urhebern dieses Satzes auf Altgriechisch die Leviten lesen, also sie zurechtweisen würden.
Die Anwendung der „Leichten Sprache“ wird zudem als „barrierefreier Zugang“ versprochen. Warum barriere-frei und nicht hindernis-frei? Anschließend wollen die Veranstalter das Treffen mit „Workshops“ fortsetzen.
Wie bitte? Und was kann man da kaufen? Eine witzige Umschreibung, die übrigens auf der Rückseite des sogenannten „flyers“ – gemeint ist wohl ein Handzettel oder Flugblatt – in einer Einladungsversion der „Leichten Sprache“ auf die Schippe genommen wird.
Weiß der Autor der Vorderseite nicht was er auf der Rückseite geschrieben hat? Wird die Glaubwürdigkeit im Handumdrehen geopfert, wo doch allgemeinverbindlich gefordert wird: „Jeder Verband, jede Einrichtung, jede Schule, jede Behörde – alle müssen wichtige Informationen in einfacher Sprache schreiben.“ Und dann kommt der Hinweis, das stehe in der UN-Behindertenrecht-Konvention. Schon wieder so ein Schenkelklopfer.
Was heißt hier „UN“, wo die Grundregel der „Leichten Sprache“ unbedingt das Vermeiden von Abkürzungen verlangt. Was heißt hier Konvention, wo es doch so einfach wäre nach dieser Regel allgemein verständlich von Vereinbarung zu sprechen? Die Weserbergland-Nachrichten.de haben die Einladung per Mail von einer netten Redakteurin bekommen. Diese beendet ihr Anschreiben mit der denkwürdigen Erläuterung: "... mit dem Ziel, einen Runden Tisch "Leichte Sprache" in der Region zu instituieren."
"Instituieren". Bei soviel Geschwollenheit schwillt einem die Zunge an. Darf's nicht auch 'ne Nummer kleiner sein, etwa mit dem Wort "einrichten"? Da hat sich der Verfasser dieser Zeilen vollends in die Ecke geschmissen – zu seinem Hund, der das beste Sprachtraining bietet. Er reagiert nur auf einfache Worte - und hinterschnuppert sie, wenn’s sein muss. Mit dem richtigen Riecher für einfache Wahrheiten.
Und hier die Antwort von Constantin Grosch:
Constantin Grosch (PDF, 513 kB)