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DER KOMMENTAR

Auf Stelzen zum Stockhof – wie die neue Hochschule mit einem beliebigen Spaßkultur-Event eine erste Chance verspielt

Von Ralph L o r e n z

„Rola Bola“ wird im Programm dargeboten, dazu Laufkugel-Artistik. Fünf Schüler aus Hameln wollen sich ferner mit sanften Gitarrenklängen und einem Schlaginstrument präsentieren, begleitet von Gesang. Es heißt, sie hätten ihre Musik auf das Wesentliche reduziert. Die Hamburger Band Feinkost spielt auf. Planet Emily bringt deutschen Rock. Auch wird „Tänzerischer Wandel BAW-HSW“ angekündigt – was immer das ist. Die Bigband der Jugendmusikschule Hameln spielt. Und es wird eine „gigantische Straßenparade“ des Helmnot Theaters angekündigt.

Es darf geraten werden, aus welchem Anlass dieses Straßenzirkus-Szenarium auf Stelzen präsentiert wird. Ist es ein Innenstadtfest, oder die Eröffnung eines besonders groß dimensionierten Supermarktes, der ganz auf Spaßkultur als Marketingkonzept setzt? Nein. Es ist die neue Hochschule Weserbergland, die sich hier für einen erheblichen Geldbetrag beglückwünschen lässt. Die Ernennung von der Berufsakademie zur Hochschule – in der Tat ein schöner Anlass zum Feiern für das Weserbergland, wie er eigentlich besser nicht sein könnte. Eine heimische Berufsakademie ist in die erste Liga des deutschen Bildungswesens aufgestiegen. Doch wer bitte schön, hat das Programm zusammengestellt, das mit seinem Event-Charakter eher in der seichten Spiel-ohne-Grenzen-Familienspaßliga angesiedelt ist? Fehlt nur noch, dass sich die Kultusministerin, die Professoren und der Landrat gemeinsam auf einem der Trampoline verlustieren, die natürlich auch aufgebaut werden. Gleich neben den „Zorbs“. Irgendeiner der Organisatoren muss da noch im falschen Film und noch nicht im Hochschulniveau angekommen sein.

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Vielleicht ist die Erklärung aber noch profaner. Im Rahmen des schicken Outsourcing hat irgendjemand die Ausrichtung der Hochschulfeier einer Event-Agentur überlassen, die natürlich das macht, was sie immer macht. Und das für viel, viel Geld. Es gibt auch einen farbigen Prospekt dazu im DIN A 4-Format, der schick aussieht, mit all den Sponsoren drauf. Die Menschen, die hier vorgestellt werden, sind allerdings ausschließlich Band-Mitglieder, so dass der Betrachter auf die Idee kommen könnte, hier würde eine Pop-Musikhochschule eröffnet. Aber dem ist nicht so.

Das Werk von Hochschulamateuren: Über unbedeutende Bands werden viele Worte verloren, die Thematik der Vorträge wird aber verschwiegen

Es ist einfach geil cool guckende Typen zu zeigen. Gewiss geiler als irgendwelche Dozenten oder wissenschaftliche Köpfe, von deren herausragender Leistung einmal der Wissenschaftsstandort Hameln abhängen wird. Die aber offenbar niemand sehen will weil sie nicht so cool rumgucken. Und in diesem Geiste - nämlich Show ist alles, Wissenschaft ist nichts - werden in diesem Druckwerk der ganzen Sache, um die es an diesem Tag gehen sollte, nur acht Buchstaben gewidmet: V-o-r-t-r-ä-g-e.

Unter dem Stichwort „Offene Hochschule“ steht in schlichter Einfachheit im wesentlichen das Wort „Vorträge“. Mehr nicht.

Als ob das  Inhaltliche nicht wirklich interessieren würde und nur eine lästige Pflichtaufgabe wäre an diesem Tag. So wird der Geist als Ramschware verkauft. Irgendwas wird es schon sein, was da vorgetragen wird. Irgendwer wird irgendwas zu irgendeinem Thema sagen. Oder auch nicht. Was sagt uns das? Die einstige Berufsakademie Weserbergland ist in der Planung und Ausrichtung dieser Festivität noch immer nicht gedanklich auf der Ebene einer Hochschule angekommen.

Wo bleibt der brillante Gastreferent, der am Eröffnungstag eine intellektuelle Duftmarke setzt?

Wer weiß, vielleicht wird an dieser Stelle den Köpfen der Hochschule Weserbergland Unrecht getan? Aber haben die Leser dieses Prospektes nicht das Recht zu erfahren, für welchen Wissenschaftszweig diese Hochschule steht? Zu welchem Thema die Vorträge gehalten werden und wann sie beginnen? Vielleicht gibt es doch Wissbegierige, die neben Kaffee und Kuchen auch etwas geistige Nahrung erwarten von einer neuen Hochschule Weserbergland.

Wirtschaftsinformatik ist ein Schwerpunkt, den die Hochschule Weserbergland für sich reklamiert. Kann es sein, dass wirklich keiner der Programmplaner dieser neuen Hochschule auf die Idee gekommen ist,  vielleicht den Versuch zu unternehmen zum Eröffnungstag die Wissenschaftslegende Peter Mertens als Gastredner einzuladen, den Gründervater der Wirtschaftsinformatik in Deutschland? Jenen Pionier, dessen Bücher die Wirtschaftsinformatiker in China in chinesischen Buchausgaben studieren? Das hätte doch gerade in dieser Disziplin nahe gelegen. War überhaupt der Gedanke an eine Gala des wissenschaftlichen Geistes aus Anlass der feierlichen Eröffnung der für das Weserbergland so zukunftsentscheidenden Fachhochschule eine echte Alternative in  der ganzen Spaßkultur-Planung?

Was soll eigentlich eine Nachrichtenagentur von diesem Wochenende in die Medienwelt transportieren?

Was für eine Meldung soll die Deutsche Presse-Agentur von diesem Eröffnungs-Wochenende aus Hameln in die Medienwelt transportieren? Dass „sechs Meter hohe zauberhafte Figuren“ vom Helmnot Theater ohne Not über den Stockhof gewandelt sind?

Das müsste dann mit der Meldung konkurrieren, dass in China zwei Sack Reis umgefallen sind, bei den Vorproben zum Carneval in Rio wieder einer Samba-Tänzerin der BH-Träger verrutscht ist und in Amsterdam zwei Radfahrer zusammengestoßen sind. Der ganze Hamelner „Hochschul“-Budenzauber kostet in der Summe einen ganz erklecklichen Betrag, der von den gutmeinenden Sponsoren berappt werden muss. Diese sind ja bekanntermaßen ohne Murren zu fast allen Schandtaten bereit, wenn es denn der Hochschule dient.

Für diese Eintagsfliege hätte denen aber nicht das Geld aus der Tasche gezogen werden müssen. Es wäre möglicherweise viel billiger vonstatten gegangen. Mit einem viel größeren Effekt. Das Geld hätte auch in einen international angesehenen Top-Wissenschaftler als Gastredner investiert werden können, der schon mit seinem Auftritt in Hameln in einer Weise von sich Reden gemacht hätte, die mit Geld nicht aufzuwiegen gewesen wäre. Und es steht zu vermuten, dass der immer noch zu einem Bruchteil dessen zu haben gewesen wäre, was jetzt der Zauber am Stockhof kostet. Dann wären wahrscheinlich  einfarbige Prospekte verteilt worden, auf denen statt irgendwelcher Provinzbands die Themen der vorgesehehen Referate herausgestellt worden wären.

Beispiele für diese simple , aber sehr wirksame Art eine überregional beachtete Duftmarke zu produzieren, gibt es genug. Die Technik nennt man PR. Vor allem hätte dieses Vorgehen deutlich gemacht, dass hier eine Hochschule im inhaltlichen Wettbewerb mit einer sich  interessant entwickelnden Dozenten-Mannschaft aufgelaufen wäre, die mit beachtenswerten Gastrednern beeindruckt.

Statt Größen des Geistes aufzubieten, werden Stelzenläufer eingekauft...

Der Vorgang hat schon skurrile Symbolkraft. Statt eine Geistesgröße aufzubieten, werden Stelzenläufer eingekauft. Erstere sind groß, letztere machen sich groß.  Weil hier in Hameln an diesem Wochenende ein „Mitmachzirkus“ auftritt (steht so im Programm) wird sich in Deutschland kein Student für den Hochschulstandort Hameln interessieren. Auch nicht weil sich eine Band bewegter Männer mit einer „fast längst vergessenen Art zu Singen“ am Weserufer zeigen wird. Das wäre eher was für das nächste Altstadtfest.

Bleibt nur zu hoffen, dass die niedersächsische Wissenschaftsministerin Johanna Wanka heute Abend beim Empfang in der Sektglas-Runde etwas zum Hochschulstandort Deutschland im globalen Wettbewerb zu sagen hat und über die übliche Glückwunsch-Rhetorik hinaus etwas mit substanziellen Nachrichtenwert mitteilen kann. Dass man „gut aufgestellt“ sei, eine Allzweckformulierung für alle Lebenslagen, wird niemanden vom Hocker reißen.

In der deutschen Hochschullandschaft steht das Weserbergland künftig im gnadenlosen Wettbewerb der besseren Ideen

Es ist nicht nur ein Wettbewerb der Personalressourcen und des bereitgestellten Geldes, um den es hier geht, es ist vor allem ein Wettbewerb der besseren Ideen. Das Signal, das an diesem Wochenende von Hameln ausgeht, ist aber nur die schiere Einfalt.

Eine vertane Chance. Provinz eben. Ab in die Zukunft? Zu sehen sind nur Leute, die in der Rattenfängerstadt auf Stelzen stöckeln!

 

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