Wird Artenschutz nach Belieben aufgehoben?
Niedersachsens Tierschützer schlagen Alarm nach Abschuss-Freigabe für zwei Wölfe
Freitag 10. April 2020 - Hannover / Uelzen (wbn). Ist der Wolf jetzt in Niedersachsen verstärkt ins Schussfeld geraten?
Der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Dieter Ruhnke befürchtet, dass Niedersachsens Umweltminister Lies die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes als Generalvollmacht nutzen würde, „um den Tier- und Artenschutz in Sachen ‚Wolf‘ nach Belieben aufzuheben“. Der Landestierschutzverband kritisiert aktuell die Tötungsgenehmigung für Wölfe im Landkreis Uelzen.
„Nach wiederholten Nutztierrissen wurde durch den Landkreis (LK) Uelzen und dem Nds. Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) die Tötung von zwei Wölfen (ein Rüde und eine Fähe) unter Aufgabe rechtstaatlicher Prinzipien genehmigt. Das MU und der LK Uelzen berufen sich dabei auf das geänderte Bundesnaturschutzgesetz, welches einen erleichterten Abschuss von Wölfen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht
„Auch nach Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes muss jeder einzelne Abschuss eines Wolfes fachlich begründet und gerechtfertigt sein. Eine wesentliche Voraussetzung für eine Tötungsgenehmigung ist die Überprüfung der zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen, wie z.B. wolfsabweisende Zäune oder der Einsatz von Herdenschutzhunden. Dazu müssen auch die jeweiligen Fachbehörden gehört werden“, so Dieter Ruhnke vom Landestierschutzverband Niedersachsen.
Die Tötungsgenehmigungen erfolgten jedoch ohne Beteiligung der zuständigen Fachbehörden. So wurde weder das Wolfsbüro des Nds. Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- u. Naturschutz (NLWKN) noch die unteren Tierschutz-, Naturschutz- und Ordnungsbehörden des LK Uelzen oder das Landwirtschaftsministerium als Fachministerium für Tierschutzfragen mit eingebunden Dies könnte unter Umständen ein Thema beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof werden.
Dem Landestierschutzverband liegen Informationen vor, dass ein schriftlicher Bescheid, der den örtlichen Kontrollorganen eine Überwachung der Maßnahmen ermöglichen würde, offenbar nicht vorliegt. Scheinbar erfolgten durch den LK Uelzen keine amtlichen Kontrollen der wiederholt betroffenen Schafherden in Bezug auf die Einhaltung der Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Diese schreibt einen verpflichtenden Schutz von Weidetieren vor Beutegreifern vor. Durch frühere Presseberichterstattungen im LK Uelzen war die Häufung der Nutztierrisse hinlänglich bekannt. Es fehlt somit aus Sicht des Landestierschutzverbandes eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung für die Tötung der beiden Wölfe.
Mit der nur vier Wochen währenden befristeten Aussetzung der Tötungsgenehmigung der Fähe wird zudem der Mutterschutz unterlaufen, da im Augenblick nicht klar ist, ob eine Trächtigkeit vorliegt und wann Welpen geboren werden. Somit besteht die Gefahr, dass nach Ablauf der Frist die Fähe geschossen wird, obwohl sie gerade ihre Welpen säugt oder Futter zuträgt. Das MU und der LK Uelzen nehmen also billigend in Kauf, dass die Welpen verhungern. Dies stellt eine gravierende strafrechtliche Relevanz i.S.d. § 17 Tierschutzgesetz dar.
„Es erweckt den Eindruck, dass der Landrat des LK Uelzen die Angelegenheit ohne weitere Prüfung als Chefsache ansieht und mit dem MU vollendete Tatsachen unter Ausschluss der Öffentlichkeit schaffen wollte“, so Ruhnke.
Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes im Bundesrat erfolgte entgegen der Empfehlungen der zuständigen Ausschüsse, die diese Änderung als einen Verstoß gegen das EU-Recht und somit als rechtswidrig einstuften. Somit kann aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass die Tötung der Wölfe strafbar ist, weil die Genehmigungen auf eine rechtswidrige Parlamentsentscheidung zurückzuführen sind. In diesem Fall liegt kein rechtstaatlicher Rechtfertigungsgrund für die Tötung der Wölfe vor. Hieraus werden sich voraussichtlich Maßnahmen der Judikative ergeben.
„Wie befürchtet nutzt der Umweltminister Lies die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes als Generalvollmacht, um den Tier- und Artenschutz in Sachen „Wolf“ nach Belieben aufzuheben. Die jetzt erteilten Tötungsgenehmigungen stellen einen tiefgreifenden Einschnitt in den Tier- und Artenschutzschutz dar, unterlaufen die Grundsätze rechtstaatlicher Prinzipien und bestätigen unsere Sorge um den Tier- und Artenschutz in Niedersachsen“ betont Ruhnke.