Liebe Leser, merken Sie sich jetzt auch die Namen Dr. Walter (CDU) und Schmidtchen (Unabhängige Bürgerlisten)
Alles klar Herr Kommissar? Jetzt bekommt das Weserbergland doch noch seinen ersehnten Wahlkrimi
Von Ralph Lorenz und Veronica Maguire MA
Hameln (wbn). Lokale Krimis werden den Buchhändlern aus den Händen gerissen. Jetzt wird auch die Landratswahl mit Ex-Kommissar Rüdiger Butte (SPD) im Hamelner Kreishaus zum echten Weserbergland-Krimi. Zwei Herausforderer machen ihm seit gestern Abend das Revier, also den Landkreis Hameln-Pyrmont, streitig. Der eine hat in Bonn mal der Kanzlerin gezeigt wo’s lang geht, der andere ließ des Öfteren eine ganze Kompanie stramm stehen. Aber Butte ist auch keiner, der sich die Butter vom Brot nehmen lässt.
Er hatte mal das Landeskriminalamt geleitet und hat sich als Landrat inzwischen so in das Weserbergland verguckt, dass er im Februar sogar die Augengrippe bekommen hat (stimmt wirklich). Neben Butte muss man sich also folgende Landrats-Kandidaten merken: Für die CDU tritt Dr. Stephan Walter an, einstiger Reden-Zuarbeiter von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundeskanzleramt und Baujahr 1959. Für die Unabhängigen Bürgerlisten bezieht Hermannn Schmidtchen Posten, ehemaliger Kompaniechef in Stadtoldendorf, 2006 als Oberst im Generalstabsdienst auf herausgehobenem Diensposten ausgeschieden und alles andere als ein Kommisskopp. Schmidtchen ist so alt wie die Bundesrepublik: Baujahr 1949. Nahezu zeitgleich wurden am gestrigen Mittwoch abend die Gegenkandidaten aus der Taufe gehoben. Die CDU präsentierte ihren Überraschungskandidaten im Hamelner Hotel Krone, die Unabhängigen im Hamelner Forsthaus Wehl.
(Zum Bild: Jetzt kommt Walter! Die CDU hat im Hotel Krone ihren Landratskandidaten erstmals vorgestellt. Foto: Lorenz)
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Als CDU-Walter hörte, dass die Weserbergland-Nachrichten.de nach seiner Kür beim Mitbewerber vorbeischauen, ließ er sogleich „herzliche Grüße“ an Schmidtchen ausrichten. Walter, parketterfahren, vermittelt einen eloquenten Eindruck, der gewinnen und überzeugen kann. Beim „Heiteren Beruferaten von Robert Lembke“ hätte man ihn freilich einerseits gleich in eine Ministerialbehörde verortet, andererseits durchaus zugetraut, dass er auch in eine Karnevalsbütt steigen kann.
Das lässt hinter der Fassade des seriösen, selbstdisziplinierten Auftrittes sein verschmitztes Lächeln erkennen; und die Landtagsabgeordnete Ursula Körtner beschwört, dass Stephan Walter auch ein Bierzelt unterhalten kann. Zumindest wirkt er wie einer, mit dem man ein Bierchen trinken kann. Ideale Voraussetzungen für einen Mann, der in Kanzleramt und Staatskanzleien gedient und zuvor in Göttingen „politische Ideengeschichte“ studiert hat. „Fast vier Jahre habe ich dann im Bundesministerium für Frauen und Jugend mit Angela Merkel zusammengearbeitet“. Das war auch die Zeit als er der aufstrebenden Dame aus dem Osten als ortskundiger Stadtführer in Bonn und Bad Godesberg diente.
Überhaupt die politischen Power-Frauen: „2003 bin ich als politischer Berater Ursula von der Leyens mit ihr ins Sozialministerium eingezogen. Wir haben dort unter anderem die Idee der Mehrgenerationshäuser entwickelt und umgesetzt.“ (Der war das also.) Bei Christian Wulff habe er auch gearbeitet – im wissenschaftlichen Dienst der Landtagsfraktion. Engländer nennen so etwas namedropping. Doch in der Hamelner Krone ist das natürlich die Krönung.
Und dann wird’s noch nicer. „Zur Zeit leite ich NEIS, die Niedersächsische Extremismus-Informations-Stelle im Innenministerium, Abteilung Verfassungsschutz.“ Alles klar Herr Kommissar? Butte, dem Ex-LKA-Chef, wird also auch auf diesem Gebiet Paroli geboten.
Wenn es um Sicherheit geht, kann auch der Oberst a.D. mithalten
Freilich, wenn es um Sicherheit geht, zumal die äußere, kann auch der Oberst a.D. von der Unabhängigen Bürgerliste locker mithalten. Der war mal beim NATO Defense College in Rom und Referent im Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe.
Vielleicht sind Schmidtchen und Walter sich damals unbekannterweise auf dem Bonner Marktplatz über den Weg gelaufen oder beide auf der Godesberger Allee, der damaligen Diplomatenrennbahn, im Stau gestanden. Jetzt stehen sie im Kandidatenstau im Weserbergland und bewerben sich um das Amt des Landrates in einem Landkreis, der überhaupt kein Geld hat – aber zu den reichsten Regionen in Niedersachsen zählt.
Reich an kulturellen Schätzen, malerischen Winkeln und einem Menschenschlag, der durchaus mit einem originellen Ideenreichtum begeistert werden kann. Die Weserbergländer haben den Besten verdient.
Ach, und da wäre noch was (würde TV-Kommissar Colombo sagen und sich unter der Tür umdrehen): Butte wohnt im Kreis Holzminden, seine Tochter lebt im Nachbarkreis Schaumburg und sein derzeitiger Arbeitsplatz ist bekanntermaßen in Hameln. Mehr Weserbergland geht nicht. Dr. Walter stammt aus einer Gastwirte-Familie, die von 1870 bis 1996 das „Berggasthaus Walter Zum Bückeberg“ bei Obernkirchen besaß. Das hat schon was! Schmidtchen aber hält absolut die Stellung. Er wohnt als einziger Kandidat in Hameln. Am Riepenbach. Das hat lange Zeit nichtmal die Oberbürgermeisterin von Hameln geschafft. Die Protagonisten des Weserbergland-Kommunalwahlkrimis sind hiermit benannt.
Die Auflösung erfolgt am 11. September 2011 nach Schließung der Wahllokale. Es war einer von außerhalb, der das letzte Mal gewonnen hatte. Ein Überraschungskandidat. Wähler schreiben die besten Krimis.
Zum Bild oben (von links): Bei der Kandidatenpräsentation: Thorsten Kellner (stellvertretender Landrat der CDU), Landratskandidat Dr. Stephan Walter sowie die beiden Landtagsabgeordenten Otto Deppmeyer und Ursula Körtner.
Darunter: Diplom-Ingenieur und Oberst a.D. Hermann Schmidtchen, der Kandidat der Unabhängigen Bürgerlisten.
Ganz unten: Rüdiger Butte (SPD), der amtierende Landrat tritt im September nochmals für eine verlängerte Amtszeit an und gibt sich zusammen mit seiner Parteifreundin, der Bundestagsabgeordneten Lösekrug-Möller zuversichtlich. Kennt der einstige Chef des Landeskriminalamtes von Niedersachsen schon die Auflösung des Weserbergland-Krimis? Fotos: Lorenz)