Der Kommentar
Pssst, ein echtes Geheimnis. Morgen beginnt die Soltec in Hameln
Von Ralph Lorenz
Ach wirklich? Morgen beginnt die „Soltec“. So schlecht war diese Solar- und Energiesparmesse schon lange nicht mehr werblich vorbereitet. Über Rainer Timpe kann man sagen was man will. Eines aber hat der Messeveranstalter, der mit seinem Soltec-Konzept offenbar inhaltlich in Hameln nicht länger überzeugen konnte, stets virtuos beherrscht: Die augenfällige, professionelle Straßenplakatierung. Das war die halbe Miete seines ansonsten überschaubaren Soltec-Erfolges.
Jetzt kommt ein neuer Veranstalter aus Berlin, der Timpe zumindest eines voraus hat: Er will unter Verzicht auf die schönen aber unpraktischen Soltec-„Segeltuch“-Dächer alles kostengünstiger und in vielleicht fünf Jahren für Stadt und Kreis sogar kostenlos machen. Letzteres hat die Entscheider im Rathaus heftig beeindruckt. Vor allem Wirtschaftsförderer Dietmar Wittkopp, der schon im selben Tonfall berlinert wie der aus Berlin stammende neue Veranstalter Frank Baumann (Expotec), spricht von einer Einsparung in Höhe von einer viertel Million Euro in den nächsten fünf Jahren. Aufgrund der sparsameren Baumann-Energiesparmessen-Kalkulation. Energiesparen, einmal anders! Spät kommt sie, die Einsicht, dass man bei der Energiemesse am Aufbau und bei der Durchführung sparen kann. Aber immerhin.
Stadt und Kreis hätten sich in den zurückliegenden Timpe-Jahren mehr als eine halbe Millionen Euro sparen können, wenn sie gleich mit dem entsprechenden Messeveranstalter gearbeitet hätten. Denn vom Energiespar-Fach war Timpe ohnehin nicht. Welch sonniges Gemüt bei den Soltec-Kontrolleuren. Mit 625.500 Euro Steuermittel war die bis dahin angeblich alternativlos scheinende Energiesparmesse befeuert worden. Der Verdacht verstärkt sich, dass diese Fördergelder durch den Kamin gegangen sind weil offenbar niemand hinterfragt hat, wie kostendeckend vergleichbare Veranstalter anderswo in Deutschland kalkulieren.
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Tatsächlich gibt es privatwirtschaftliche Betreiber von Großmessen, die das Öfchen ganz ohne öffentliche Kohle in Betrieb halten. Die Welt ist voller Wunder. Wahrscheinlich war es der selbst verliebte Glaube an die Einzigartigkeit, dass niemand auf die Idee gekommen ist über den Zaun des Weserberglands zu schauen und die Kalkulation anderer Messestandorte und Veranstalter als Vergleich heranzuziehen.
Wels hat gezeigt wie's geht - Europas größte Energie- und Hausbaumesse braucht keine Subventionen
An der deutsch-österreichischen Grenze in Wels findet jeweils im März Europas größte Fachmesse für Energieeffizienz und alternative Energien statt. Wirtschaftlich ein Kracher. Da schmeißt man nicht mit Business-Kauderwelsch um sich. Da geht man mit viel Energie ran.
Die Soltec als "größte Fachmesse des Nordens" zu bezeichnen, klingt schmeichelhaft, ist aber ein Witz. Es ist ja auch die einzige im Norden. Weniger Würstchenbuden, mehr Fachaussteller – da will der neue Messeveranstalter hin. Klasse Botschaft. Aber je mehr Fachaussteller und Besucher da sind, um so mehr Würstchenbuden brauchen wir. Entscheidend ist nicht die reduzierte Zahl der Currywurst-Anbieter sondern die Präsentation sogenannter „Highlights“ (sprich: Hei-leit). Und zwar jetzt.
Warum kriegen wir im Autoland Niedersachsen kein aktuelles serienreifes Elektro-Auto auf die Solarmesse?
Hei, wie wäre das schön gewesen, wenn wir in diesem Jahr der Elektroautos entsprechende serienreife Demo-Fahrzeuge vor Ort gehabt hätten. Es gibt sie inzwischen auf dem Automarkt. Und sie werden mit Erfolg verkauft. Auch interessante Hybridversionen. Hat in der Eile beim Veranstalter aber nicht geklappt. Und das im VW-Land Niedersachsen, bei „Norddeutschlands größter Solarmesse“? Es kann doch nicht so schwer sein innerhalb von vier Monaten für drei Tage ein solches Auto vor die Tür zu stellen? Aber Rüsselsheim hat ja auch schöne Töchter: Der neue Opel Ampera wäre der Hammer gewesen. Kraftstoffverbrauch: 1,2 Liter. CO-2 Emmissionen: 27 g/km, Reichweite 500 km. Südmersen & Struck aus Hameln hätte das Teil wohl punktgenau und mit Handkuss vor die Tür gestellt, denn Opel hat just am Tag vor der Soltec-Eröffnung das alltagstaugliche Serien-Elektroauto in einer ganzseitigen Anzeigenkampagne bundesweit propagiert. Die Soltec hat schlicht eine Premiere verpennt. Wenn nicht auf der Soltec, wo dann soll das erste Elektroauto von Opel im Norden präsentiert werden? Eine Messe lebt von Neuigkeiten! "Während viele andere noch am Elektroauto forschen, können Sie den Opel Ampera heute schon fahren", verkündet Rüsselsheim selbstbewusst. Die Jungs sind einfach clever.
Nun müssen sich die Besucher vornehmlich mit Elektrofahrrädern und Segways zufrieden geben. Segways, das sind die großen Einachs-Roller, mit denen die Hamelner Stadtwerke bei ihrem Gas-Jubiläum schon einen Tag lang die mehr als 2000 Stadtwerke-Besucher erfreut hatten. So gesehen also nichts Aufregendes, schon gar nichts Neues für Hameln. Auf dem Öko-Sektor kann der Berliner Messeorganisator den grünsten Stadtwerken in Niedersachsen ohnehin nichts vormachen. Die haben sogar eine Elektro-Tankstelle und setzen jetzt ein Elektro-Auto für den täglichen Einsatz der Vorort-Kassierer ein, die sich damit völlig lautlos beim Kunden im Hinterhof anschleichen können.
Ach ja. Der Berliner Veranstalter hat noch ein Hei-leit für die Rattenfängerstadt. Er präsentiert den Film von der „4. Revolution“. Die „4. Revolu’schn“ hat aber in Hameln schon stattgefunden und ist auch hinreichend bekannt. Tut uns leid, Herr Baumann, da waren die Stadtwerke Hameln schon wieder schneller. Der Film gegen die Atomlobby ist von den Stadtwerken Hameln und den Stadtwerken Weserbergland in Verbindung mit dem BUND schon 2010 gepuscht worden. Kaum eine Schulklasse im Weserbergland hat diesen Film versäumt.
Der Soltec-Messeveranstalter aus Berlin kann vom Weserbergland noch lernen
Die Schulklassen der Region hatten nämlich subventionierten Eintritt. Warum hat Wittkopp das dem neuen Geschäftspartner aus Berlin nicht gesagt, der jetzt wieder die Schulklassen einladen will? Sicher wäre dem dann noch ein echtes, wirklich neues Energie-Spektakulum eingefallen.
Dafür ist Wittkopp Frank Baumann in anderer Hinsicht beigesprungen. Als die Weserbergland-Nachrichten.de bei der Pressekonferenz von Baumann wissen wollten, ob er die erste Messe unter seiner Regie mit Atomstrom oder Ökostrom betreibt, sprang ihm Wittkopp nach einer kurzen Schrecksekunde zur Seite. Die Stadt liefere grünen Strom. Man habe ja mit den Stadtwerken vor kurzem erst einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen.
Wie Atomstrom sich in Öko-Strom versilbern lässt
Fragt sich nur, ob es nicht etwa Öko-Strom aus Österreich ist. In dem deutschsprachigen Nachbar-Gau macht man gerade ein Bombengeschäft mit der Wasserkraftenergie. Die Österreicher pumpen Stauseewasser mit billiger tschechischer Atomkraft nach oben um das Wasser wieder nach unten stürzen zu lassen und auf dem Wege der Talfahrt in teuren Öko-Strom zu verwandeln. Ein biblisches Wunder. Das ist auf dem internationalen Energiemarkt eine Riesengaudi und der „Spiegel“ hat in dieser Woche dieser „Atomwaschanlage“ zwei Reportageseiten gewidmet.
Der Öko-Energiemarkt ist also unterhaltsam und voller Überraschungen. Schon deshalb sollte die Soltec ihre zweite Chance bekommen. Mit einem Veranstalter, der das überdurchschnittliche Potential dieser grünen Region wirklich zu entdecken bereit ist. Einer Region mit dem Standortvorteil eines einzigartigen Solarinstitutes. Mit alternativ denkenden Stadtwerken. Manchmal können Veranstalter auch von einer ganzen Region lernen! Das Weserbergland wartet darauf in seiner energetischen Vielfalt entdeckt zu werden. Baumann könnte solch ein Märchenprinz werden. Man muss ihm zumindest die Chance geben.
Jeder ist herzlich willkommen. Doch wozu brauchen wir die Neapolitaner?
Baumann will „die Neapolitaner“ beim nächsten Mal zur Soltec holen. Die Begründung ist ganz einfach: Weil er mit denen auch sonst zu tun hat. Sie haben zwar im Jahr viel Sonne. Aber verstehen sie auch was von Solarenergie? Von Photovoltaik? Vielleicht kommen sie in Solargondeln die Weser herunter. Die Neapolitaner haben noch nie eine erkennbare Rolle gespielt auf dem hart umkämpften Markt der Solartechnik. Den bestimmen schon jetzt die Chinesen mit ihren Kampfpreisen, ihrer Ingenieur-Elite, die zwischen Spionage, kecker Nachahmung und bewundernswerter Eigenforschung oszilliert. Und auch in der Windenergie drehen die Chinesen ein großes Rad. Die alternative Energietechnologie als Paradebeispiel deutschen Technologievorsprungs hat gerade im Jahr der Energiewende im Exportgeschäft gegenüber den Asiaten dramatisch an Boden verloren. Alle sprechen von Zukunftstechnologien, dabei sind wir gerade dabei die Solar-Zukunft zu verspielen. Das Solar-Hochsubventionsland Germany hat die Chinesen angelockt wie das Licht die Motten. Marktpolitisch sind die Folgen für Berlin ein Desaster. Jetzt profitieren die Chinesen vom Geld unserer Steuerzahler. Und kackfrech bauen die sogar Glühbirnen weiter, während wir uns das selbst verbieten.
Dafür kann die Solarmesse Soltec aber nichts. Sie könnte jedoch eine kleine Fieberthermometer-Funktion in der fiebrig erhitzten Energielandschaft erfüllen. Ein Wirtschaftsbarometer für die Region Weserbergland, die das Labor der alternativen Energien werden könnte. Superintelligente Lösungen in der Parklandschaft Niedersachsens, das wäre doch was. Also hingehen. Auch wenn die Sonne nicht scheint.
Morgen geht’s los, bis einschließlich Sonntag. Jeweils ab 10 Uhr. Zum ermäßigten Preis von 5 Euro (weitere Ermäßigung 3.50 Euro). Gut angelegtes Geld für sanierungs- und energiesparwillige Familien und Hausbesitzer! Besser auch als Drachme.