Gut 1.200 Bürger sind heute in Bad Nenndorf gegen Rechts auf die Straße gegangen
Auch die Gegendemonstranten haben der Polizei in Bad Nenndorf Kopfschmerzen bereitet
Bad Nenndorf (wbn). Warum ketten sich linke Demonstranten an eine S-Bahn und zwingen die Bahn zum Ersatzverkehr mit Bussen? Wem ist mit Blockaden am Winklerbad letztendlich gedient? Die Zielrichtung der Aktionen war allerdings klar: Es sollten auch in diesem Jahr Aktionen von Neonazis verhindert werden.
Damit es nicht zum Chaos kommt in Bad Nenndorf waren 1800 Polizisten aus Niedersachsen und anderen Bundesländern in Bad Nenndorf zusammengezogen worden. Nicht nur Rechtsradikale sondern auch Linke, die aggressiv auf Konfrontation aus waren, sind für die Polizei bei den Demo-Veranstaltungen in Bad Nenndorf eine Herausforderung gewesen. Deshalb ist seitens der Einsatzleitung der Polizei abschließend auch von einer „trüben Bilanz“ die Rede. 1.200 überwiegend friedliche Demonstranten - in anderen Berichten ist auch von bis zu 1800 Demonstranten die Rede - haben heute erfolgreich Flagge gegen Rechts gezeigt, darunter auch der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Ulrich Watermann und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius. Es wurde - auch das gehört zur Bilanz - letztendlich das Spektakel des sogenannten "Trauermarsches" der Neonazis verhindert. Zum nunmehr achten Mal fanden heute in Bad Nenndorf mehrere Veranstaltungen und versammlungsrechtliche Aktionen aus Anlass eines Aufmarsches von Rechtsextremisten zum "Wincklerbad" statt.
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Nachfolgend der Polizeibericht aus Bad Nenndorf:
"Der Tag begann um 09.00 Uhr in der St.Godehardi-Kirche mit einem ökumenischen Gottesdienst, an dem neben einer großen Zahl von Besuchern auch Landtagsabgeordnete sowie der Innenminister Boris Pistorius teilnahm.
Im Anschluss daran sammelten sich die Teilnehmer zu einem gemeinsamen Aufzug des DGB und des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt", der über die Bahnhofstraße zum Zwischenkundgebungsort am "Kleinen Gymnasium" führte. Unmittelbar danach schlossen sich ca. 250 Personen dem Aufzug an, die zuvor an einer Veranstaltung teilnehmen wollten, die vom Anmelder aber kurzfristig abgesagt worden war. Darunter befanden sich Angehörige von Gruppierungen, die im Vorfeld zu Blockaden des sogenannten Trauermarsches aufgerufen hatten. Mit ca. 1.200 Teilnehmern bewegte sich der Aufzug zum Wincklerbad zur Abschlusskundgebung, die gegen 14.00 Uhr beendet wurde. Ca. 400 - 500 Personen verblieben vor dem Wincklerbad.
Da der Platz der Abschlusskundgebung auch der rechtsextremistischen Versammlung als Kundgebungsort dienen sollte, war es Aufgabe der Polizei diesen freizuhalten. Trotz mehrfacher Aufforderung weigerten sich die Demonstranten den Platz zu verlassen und setzten sich auf die Straße, so dass die Blockierer von der Polizei aus dem abgesperrten Bereich weggeführt bzw. getragen werden mussten.
"Die extreme Belastung, bei diesen Temperaturen, die Personen wegtragen zu müssen, hätte ich den Einsatzkräften gern erspart," so Frank Kreykenbohm, Gesamteinsatzleiter der Polizei, "dem ruhigen und besonnenen Einschreiten ist zu verdanken, dass bei dieser Aktion weder Polizeibeamte noch Demonstranten zu Schaden gekommen sind."
Bei der Sitzblockade kam es auch in diesem Jahr zum Einsatz einer kleinen Pyramide, in der sich vier Aktivisten angekettet hatten. Drei weitere Kleingruppen hatten sich mit Fahrradbügelschlössern aneinander geschlossen.
Bereits am späten Vormittag war im Bahnhof Bad Nenndorf eine S-Bahn blockiert worden, indem sich zwei Personen an den Triebwagen ketteten. Nach knapp zwei Stunden waren die Aktivisten befreit. Die Deutsche Bahn musste zwischenzeitlich Busse als Schienenersatzverkehr einsetzen.
"Ein Resumee zu ziehen, fällt mir heute schwerer, als in den Vorjahren," so Frank Kreykenbohm am Ende des Tages. "Der bürgerliche Protest hat sich wie in den Vorjahren kreativ und friedlich gezeigt.
Wir sind unserem gesetzlichen Auftrag gerecht geworden und haben die Aufgaben nach meiner Bewertung professionell erfüllt. Damit bin ich zufrieden. Die Blockade am Wincklerbad und die damit verbundenen notwendigen polizeilichen Maßnahmen trüben die Bilanz."
Anmerkung der Redaktion: Britische Besatzungssoldaten hatten das Winklerbad von 1945 bis1947 als Internierungslager für NS-Leute und mutmaßliche Kriegsverbrecher genutzt. Weil es dort auch zu Misshandlungen von Internierten gekommen ist, haben heutige Neonazis versucht das ehemalige Lager zu einer "Gedenkstätte" umzudeuten und für geschichtsklitternde Aufmärsche zu missbrauchen. Mit einem "bunten Protest" wehren sich jetzt die Bad Nenndorfer erfolgreich und phantasievoll gegen Aktionen von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten.