Triebkopf zerfetzt Traktor auf Bahnübergang - Fahrer sprang in letzter Sekunde ab - Nur zwei Leichtverletzte im Müntefering-Zug
Auf dem Weg ins Weserbergland: Müntes Schutzengel muss ein Genosse sein – Ex-Vizekanzler saß im Unglücks-ICE, dem der Traktor in die Quere kam
Dedinghausen/Bad Pyrmont (wbn). Als Münteferings ICE heranrauschte, da blieb dem Traktorfahrer keine Wahl. Der Landwirt sei gerade dabei gewesen den Bahnübergang zu überqueren, hieß es, da raste der Schnellzug heran. Der 49-Jährige sprang vom Bock und ging in Deckung.
Sekunden später wirbelten die Trümmer durch die Luft. Der ICE-Triebkopf zerfetzte trotz Vollbremsung des 39-jährigen Lokführers den Traktor in zwei Teile und wurde selbst stark beschädigt. Ein Wunder: Nur zwei leicht verletzte Fahrgäste unter den gut zweihundert Passagieren. Und Franz Müntefering mittendrin. „Münte“, wie die Genossen ihn liebevoll nennen, war auf der Anfahrt zu den Genossen im Weserbergland.
In Bad Pyrmont hatte er sich für gestern Abend zwei Stunden reserviert um seinen Parteifreunden den Rücken zum Kommunalwahlkampf zu stärken.
Nichtsahnend warteten in Bad Pyrmont bereits die Genossen auf Münte
Landrat Rüdiger Butte, die Bundestagsabgeordnete Lösekrug-Müller sowie die ganze lokale Parteiprominenz warteten dort erwartungsvoll auf den Ex-Vizekanzler und ehemaligen Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten, der zum ehernen Urgestein der Partei gerechnet wird. Müntes Thema gestern Abend: Der demographische Wandel. Doch zunächst bewies er Wandlungsfähigkeit in eigener Sache.
(Zum Bild: Der Triebkopf des ICE, in dem Müntefering saß. Vom Traktor blieben nur noch Metallfetzen übrig. Bild darunter: Bahnreise mit Hindernissen. Die 200 Fahrgäste aus dem ICE, unter denen sich auch Müntefering befand, werden auf Metallstegen übers Gleisbett in bereitstehende Busse geleitet. Fotos: Polizei)
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Müntefering stieg auf andere Verkehrsmittel um und reiste unerschüttert von Lippstadt weiter Richtung Bad Pyrmont. Es kann ja jedem Wahlkämpfer was in die Quere kommen – und wenn’s ein Traktor auf dem Bahnübergang ist. Franz Müntefering muss einen Genossen als Schutzengel haben. Schon mehrfach kam Münte auf dem Weg zu wichtigen Parteiveranstaltungen in brenzlige Situationen – aber immer rechtzeitig an. Zuletzt rutschte er über eine Notrutsche von Bord einer Maschine, die auf dem Flughafen bei Stuttgart notgelandet war. Gestern Abend in Bad Pyrmont blieb der Wahlkämpfer Müntefering übrigens ganz cool. Er sprach über das Ehrenamt, die selbstlose Arbeit in Sportvereinen und die Chancengleichheit in der Bildung. Anhaltender Applaus der Genossen war ihm sicher. Münte, einer aus der alten Garde, der bei den Genossen buchstäblich "ankommt".
Nachfolgend der Polizeibericht von gestern Abend aus Lippstadt: Bei dem Unfall am Bahnhof Dedinghausen hatte der 49-jährige Traktorfahrer großes Glück.
Dem Bauern flogen die Trümmer seines Traktors um die Ohren
Als er bemerkte, dass er mit seinem Traktor nicht mehr rechtzeitig von den Schienen kam, sprang er vom Trecker und flüchtete aus dem Gefahrenbereich. Sekunden später kam es zum Zusammenstoß zwischen dem mit 160 km/h fahrenden ICE und dem Traktor. Dieser wurde dadurch völlig zerstört, die Trümmerteile lagen auf einer Strecke von etwa 100 m Länge. Der Zug kam nach einer Vollbremsung des 39-jährigen Lokführers etwa 600 Metern weiter zum Stillstand. Durch den Zusammenstoß wurde der Triebkopf des ICE stark beschädigt. Durch umher fliegende Trümmerteile wurden am Bahnhof parkende Fahrzeuge beschädigt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wurden im Zug zwei Fahrgäste leicht verletzt.
Die etwa 200 Fahrgäste aus dem Zug wurden mit vier Bussen und einigen Taxen nach Paderborn und Kassel gefahren. Die Bahnstrecke wurde komplett gesperrt, es wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Der Straßenverkehr wurde durch Polizeibeamte umgeleitet. Der Gesamtschaden am Zug und am Traktor werden auf etwa 560000,- Euro geschätzt. (Zum Bild ganz unten: Der andere Teil des Traktors. Der Fahrer hatte sich in letzter Sekunde von seinem Fahrzeug retten können und war hinter dem Bahnübergang in Deckung gegangen. Ihm flogen die Trümmer um die Ohren. Foto: Polizei)